Eine Klettertour an der Nordseite des Mount Everest lieferte Forschern ein paar Milligramm Gestein von entscheidendem Informationsgehalt. Die Proben für die Studie wurden im untersten dunklen Bereich des Massivs gewonnen.

Foto: M. Jessup

Frankfurt - Das "Dach der Welt", insbesondere der Himalaya, spielt eine bedeutende Rolle für das Klima und das Leben an sich. Es hält die kalten Nordwinde vom indischen Subkontinent ab, was diesem zu höheren Temperaturen als in anderen Weltregionen auf vergleichbaren Breitengraden verhilft. Umgekehrt bilden die zentralsasiatischen Hochgebirge eine Barriere für den aus dem Süden kommenden Monsun und die Niederschläge, die dieser mit sich bringt.

Außerdem markieren die Gebirgszüge die Grenze zwischen zwei biogeografischen Großregionen, der Paläarktis im Norden und der Orientalischen Region im Süden. Die beiden sind durch jeweils unterschiedliche Tier- und Pflanzenwelten gekennzeichnet, da die Gebirge den Austausch der Arten eingeschränkt haben.

Und diese Rolle spielen die Hochgebirge schon länger als gedacht, wie das Frankfurter Senckenberg-Forschungsinstitut berichtet. Forscher fanden heraus, dass die Mount Everest-Region bereits vor 17 Millionen Jahren so hoch lag wie heute. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Geology" veröffentlicht.

Klettern für ein paar Milligramm Gestein

Die Daten konnten mit Hilfe der noch jungen Methode der Isotopenmessung gewonnen werden. Wasser - egal ob Regentropfen, Schnee oder Schmelzwasser - enthält eine variierende Zusammensetzung an unterschiedlich schwerem Sauerstoff. Schwere Isotope nehmen im Vergleich zu den leichteren Isotopen mit zunehmender Höhe ab. Aus Millionen Jahre alten Gesteinen lässt sich somit anhand der von den Regenwasserablagerungen stammenden Isotopenzusammensetzungen bestimmen, in welcher Höhe der Regentropfen einst auf die Erdoberfläche traf - und somit, wie hoch der entsprechende Ort damals lag. 

Die Spuren uralter Regentropfen suchten die Forscher dort, wo Regen, Schnee oder Schneeschmelze durch Klüfte in größere Tiefen des Everest-Massivs einsickerten. Dazu mussten Orte am Mount Everest gefunden werden, an denen durch tektonische Prozesse, also Verschiebungen von Gesteinseinheiten, einst mehrere Kilometer tief liegende Gesteine an die Oberfläche gekommen sind.

Allerdings spielen auch andere Faktoren wie Jahrestemperatur, Verdunstung und Niederschlagsmenge für die Isotopenverteilung eine Rolle, wie Studienerstautorin Aude Gébelin vom Frankfurter Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum erklärt. Um die Effekte des Klimawandels und der Gebirgsbildung auseinanderhalten zu können, wurden daher nicht nur am Mount Everest Proben genommen, sondern auch am Fuße des Himalaya - an einem Ort, der vor 17 Millionen Jahren auf Meereshöhe lag.

Erkenntnisse für Klima- und Evolutionsforschung

Die insgesamt nur ein paar Milligramm schweren Gesteinsproben mit den erdgeschichtlichen Wasserrückständen belegen, dass es den Monsunregen bereits vor 17 Millionen Jahren gab. "Es gibt Experten, die behaupten, es gebe ihn erst seit acht bis zehn Millionen Jahren. Unsere Ergebnisse weisen eher in die Richtung, dass er seit mindestens 20 Millionen Jahren existiert", so Gébelin.

Aber nicht nur für Klimaforscher sind die Daten relevant. Als "Riesenhindernis" für die Ausbreitung von Spezies hat der Himalaya für unterschiedliche Artengemeinschaften im Norden und Süden gesorgt und damit den Lauf der Evolution mitbeeinflusst. Gébelin: "Für die Erforschung, wann welche Arten entstanden beziehungsweise verschwanden, ist es wichtig zu wissen, wann der Himalaya entstanden ist." (red, derStandard.at, 6. 7. 2013)