Kein Bitten und Betteln hilft: Amy Jellicoe (Laura Dern) bleibt permanent stecken – und bringt am Ende doch alle weiter: HBO-Serie "Enlightened", Sky Atlantic HD.

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Wien – Es gab wahrscheinlich keinen Fettnapf, in den Amy Jellicoe im Lauf von zehn Folgen nicht getappt wäre: Als sie von ihrem Job als Topmanagerin eines Industriekonzerns abgezogen wird, nimmt sie dies nicht mit erhobenem Haupt hin, sondern liefert ihrem Boss und gleichzeitig Exgeliebten vor versammelter Belegschaft eine hysterische Szene mit Heulkrämpfen. Peinlich!

Danach begibt sie sich ins Esoterikcamp und kehrt "geheilt" zurück – mit einem Haufen frommer Mantras: "Ich kann mich verändern. Ich bin eine Agentin des Wandels." Bitte nicht!

Die reichlich zwanghaft wirkende positive Grundhaltung praktiziert Amy wieder nicht im stillen Kämmerlein, sondern sie konfrontiert ihr gesamtes soziales Umfeld mit dem neu einstudierten Konzept von Licht und Liebe. No-Go!

Das rufen so ziemlich alle, wenn sie die erleuchtete Amy in der US-Serie "Enlightened" (auf DVD und ab Mittwoch im Abo-TV Sky Atlantic HD) sehen: die emotional kühle Mutter, der drogensüchtige Ex, die verlogenen Mitarbeiter aus der Führungsetage, die Nerds in der neuen Abteilung.

Esoterikfreak

Rückschläge ohne Ende erfuhr Amy in der ersten Staffel, und auch in der zweiten Saison ändert sich wenig. Gut so: Laura Dern spielt den Esoterikfreak so authentisch, dass es wehtut. Unermüdlich versucht sie zu bekehren und reitet sich selbst immer tiefer in ein Schlamassel aus Blamage und Demütigung. Dabei ist sie weit und breit die Einzige, die an ihre Sache glaubt.

Hinter "Enlightened" steht eine geballte Kraft an Hollywood-Kompetenz: Amys frostige Mutter spielt Derns Mutter Diane Ladd ("Wild at Heart"), Jonathan Demme ("Das Schweigen der Lämmer") führte bei zwei Folgen Regie. Dern erfand die Serie mit Mike White, der den verkorksten Bürokollegen Tyler spielt. Zu sehen ist ein Ensemble, das mit großer Sorgfalt agiert: Es gibt kaum eine andere Serienheldin mit einem derart sicheren Gespür für den falschen Zeitpunkt. Nicht zuletzt ist "Enlightened" ein präzises Sittenbild von Sinnentleerung in modernen Arbeitsprozessen: Es dauert acht Folgen, bis Amy überhaupt her­ausfindet, was in der neuen Abteilung passiert. Wieder so eine unerwünschte Äußerung: "Was machen wir eigentlich hier?"

Dass HBO "Enlightened" nach zwei Staffeln abrupt absetzte, gefiel Dern und White nicht. Sie hätten ihrer Heldin gern ein triumphales Serienende bereitet: Amy deckt unseriöse Machenschaften des Konzerns auf und bringt diesen zu Fall. So bleibt am Ende nur die deprimierende Erkenntnis: Wieder siegten Firmeninteressen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 9.7.2013)