Künstlerische Darstellung der Schneegrenze um TW Hydrae.

Illustration: B. Saxton & A. Angelich/NRAO/AUI/NSF/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)

Heidelberg - Eine Schneegrenze gibt es nicht nur in den Gebirgsregionen der Erde, das Wort hat auch eine astronomische Bedeutung. Und hier gibt es nicht nur eine Schneegrenze: In den Gas- und Staubscheiben um einen jungen Stern friert mit zunehmendem Abstand zunächst Wasser aus und bildet die erste Schneegrenze. Weiter draußen, bei noch kühleren Temperaturen, frieren weitere Stoffe aus und werden zu Schnee - zum Beispiel Kohlendioxid, Methan und Kohlenmonoxid. 

Bedeutung für die Planetenbildung

In festem Zustand umgeben diese Stoffe Staubkörner mit einer Art klebriger Hülle und spielen so eine entscheidende Rolle beim Wachstum der Staubkörner. Sie verhindern, dass die Staubkörner bei Kollisionen auseinanderbrechen und ermöglichen ihnen so, zu den Grundbausteinen von Planeten (oder auch Kometen) zu werden. Der Schnee vergrößert zusätzlich den Anteil fester Materie in der protoplanetaren Scheibe und könnte dadurch den Prozess der Planetenentstehung beschleunigen.

Jede einzelne dieser Schneegrenzen – für Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan und Kohlenmonoxid – könnte mit der Entstehung bestimmter Typen von Planeten zusammenhängen. Gesteinsplaneten würden sich demzufolge innerhalb der Wasser-Schneegrenze bilden, Gasriesen dagegen nur hinter der Kohlenstoffmonoxid-Schneelinie. Um einen sonnenähnlichen Stern, in einem Planetensystem wie dem unsrigen, würde die Wasser-Schneegrenze dem Bereich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter entsprechen, während die Kohlenmonoxid-Schneegrenze etwa bei der Umlaufbahn des Planeten Neptun läge.

Fallbeispiel TW Hydrae

Nun ist es gelungen, eine der Schneegrenzen um den sonnenähnlichen Stern TW Hydrae abzubilden, der etwa 176 Lichtjahre von uns entfernt ist. Astronomen gehen davon aus, dass dessen sich gerade erst bildendes Planetensystem ähnliche Eigenschaften aufweist wie unser eigenes Sonnensystem in einem Alter von nur wenigen Millionen Jahren. Wie das Max-Planck-Institut für Astronomie berichtet, ist es mit Hilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) im Norden Chiles geglückt, die Kohlenmonoxid-Schneegrenze um den jungen Stern zu identifizieren. 

Die Grenze liegt bei einem Abstand von etwa 30 Astronomischen Einheiten (also dem 30-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne) zu TW Hydrae. Damit ist die Kohlenmonoxid-Schneegrenze auch genau dort, wo sie laut der Theorie liegen sollte.

ALMA schafft's

Da der Schnee nicht direkt beobachtet werden kann, suchten die Astronomen nach dem Molekül namens Diazenyl (N2H+), das im Millimeterbereich des elektromagnetischen Spektrums strahlt und daher mit ALMA beobachtet werden kann. Dieses Molekül reagiert sehr leicht mit Kohlenmonoxidgas und wird dabei zerstört. In nachweisbaren Mengen ist es also nur dort zu finden, wo das Kohlenmonoxid zu Schnee ausgefroren ist und das Diazenyl daher nicht länger zerstören kann.

"Dank ALMA haben wir jetzt das erste echte Bild der Schneegrenze um einen jungen Stern. Das verrät uns einiges über die erste Phase der Geschichte unseres eigenen Sonnensystems", sagt Chunhua Qi vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, einer der beiden Hauptautoren des Fachartikels, in dem die Beobachtungen vorgestellt werden. "Damit sind wir in der Lage, Details über die eisigen Außenbereiche eines fernen, sonnensystem-ähnlichen Planetensystems zu erfahren, die uns zuvor verborgen geblieben sind."

Möglicher lebensbegünstigender Faktor

Das Vorhandensein der Kohlenmonoxid-Schneegrenze könnte aber nicht nur die Entstehung von Planeten beeinflussen, sondern möglicherweise auch die Chancen erhöhen, dass sich in diesem System in ferner Zukunft einmal Leben entwickelt. Kohlenmonoxid-Eis wird für die Entstehung von Methanol benötigt, einen der Grundbausteine komplexerer organischer Moleküle. Kometen könnten derartige Moleküle zu den im Entstehen begriffenen Gesteinsplaneten im inneren Sternsystem befördern. Auf diese Weise würden Zutaten, die für die Entstehung des Lebens notwendig sind, auf diese Planeten gelangen. (red, derStandard.at, 27.7.2013)