Die Erkrankung des peripheren Nervensystems geht mit unterschiedlichen Gefühlsstörungen einher.

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Die Polyneuropathie (PNP) ist eine fortschreitende Schädigung des peripheren Nervensystems. Exakte epidemiologische Daten über die komplexe Begleiterkrankung gibt es kaum. In Österreich sind schätzungsweise bis zu 600.000 Menschen betroffen.

Die meisten Patienten leiden unter scheinbar unerklärlichen Schmerzen, Gefühlsstörungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühlen vor allem in Füßen oder Beinen, fallweise auch in den Händen. Das kann zu Unsicherheit beim Gehen und zu Stürzen bis zu Immobilität führen. "Weil viele Symptome nicht eindeutig auf PNP hinweisen, kommen die Patienten oft erst zum Neurologen, wenn die Schädigungen schon weit fortgeschritten sind", sagt Wolfang Löscher von der Muskelambulanz der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Die meisten Formen von Polyneuropathie sind nicht heilbar, eine möglichst frühe Abklärung beim Neurologen kann aber das Fortschreiten der Nervenschädigung einbremsen und viele Symptome lindern.

Jeder dritte Diabetiker betroffen

Als Auslöser kommen eine Reihe von Grunderkrankungen infrage, bei etwa einem Fünftel der PNP-Fälle bleibt die Ursache unklar. Hauptrisikogruppen sind jedoch Diabetiker und alkoholabhängige Personen sowie Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Experten gehen davon aus, dass jeder dritte Diabetiker und jeder zehnte Alkoholkranke unter einer PNP leidet.

Die diabetische PNP ist neben der peripheren Arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) die häufigste Ursache für das Diabetische Fußsyndrom: Dabei fühlen sich die Füße der Betroffenen zunehmend "taub" an, Verletzungen werden oft nicht wahrgenommen, die Wundheilung ist gestört und Amputationen drohen.

"Diabetes tut nicht weh und bleibt daher oft jahrelang unerkannt. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Gefühlsstörungen vor allem in den Füßen als Alarmsignal erkennen", sagt der Neurologe Heinrich Spiss. Auch der unsichere, schwankende Gang alkoholkranker Personen ist oft auf ein PNP-Syndrom zurückzuführen. Oberstes Therapieziel für Diabetiker wie für Alkoholkranke ist es, die Grunderkrankung in den Griff zu bekommen, also eine genaue Einstellung und Kontrolle des Blutzuckerspiegels beziehungsweise eine Suchttherapie. Zusätzlich kann das Fortschreiten der PNP auch bei diesen Patienten medikamentös eingebremst werden.

Oft jahrelang unerkannt

Neben einem Taubheitsgefühl können auch stechende oder brennende Schmerzen im Vordergrund einer PNP stehen. Experten schätzen, dass bis zu fünf Prozent der Bevölkerung unter dieser "schmerzhaften PNP" leiden. Oft führen die anhaltenden Schmerzen zum sogenannten Restless-Legs-Syndrom. Dieses Syndrom der ruhelosen Beine zwingt die Patienten nachts zum Aufstehen. "Das ist eine psychische Belastung, die nicht selten in Depressionen mündet. Viele Menschen schlucken jahrelang Schmerzmittel - ohne nachhaltige Wirkung, denn zur Behandlung von PNP sind völlig andere Medikamente wie beispielsweise Antiepileptika oder Antidepressiva nötig", sagt Löscher. (red, derStandard.at, 26.9.2013)