"Eine berühmte Wohnung ist das! Hier hat schon Johannes Heesters gelebt! Nach dem Krieg ist hier eine jüdische Familie eingezogen, die den Holocaust allerdings niemals verkraftet hat, und so kam es in diesen Räumen dann zu einem schrecklichen Familienmord. Nachdem hier dann niemand mehr einziehen wollte, hat mein Mann Helmut Zilk die Wohnung 1967 sehr günstig abgelöst und ist als Quasi-Junggeselle eingezogen. 1984 kam ich dazu. Mein erster Eindruck war: So altmodisch! Und dann erst diese gelben und roten Wände!

"Natürlich habe ich hier auch ein bisschen Kitsch reingebracht. Die Wohnung war ja so altmodisch!" Dagmar Koller auf ihrer LC4-Chaiselongue von Le Corbusier. (Foto: Lisi Specht)
Foto: Lisi Specht

Gemeinsam mit seiner Mutter haben wir die Wohnung also entrümpelt, neu ausgemalt und völlig neu möbliert, teilweise mit modernen Möbeln, teilweise mit alten. Natürlich habe ich auch ein bisschen Kitsch reingebracht. Ich kam ja gerade aus Amerika und war für Kitsch sehr empfänglich. Jedenfalls hat sich der Umbau bis 1993 gezogen. Und dann, als wir endlich mit allem fertig waren, war das schreckliche Briefbombenattentat auf Helmuts Hand, genau hier im Wohnzimmer, überall war Blut, und wir mussten wieder komplett neu ausmalen.

In der Wohnung meines verstorbenen Mannes zu wohnen ist eigentlich ein schönes Gefühl. Hier war Helmut glücklich, hier war er daheim. Ich sehe ihn jeden Tag vor mir. Es ist, als ob er weiterhin mit mir hier leben würde. Zum Glück sieht er nicht mehr die vielen Risse in der Wand. Denn überall rundherum, am Graben, am Kohlmarkt, in der Tuchlauben, wird gebaut und gebaggert, und den ganzen Tag geht's bum, bum, bum.

Manchmal, wenn die Bauarbeiter am Gerüst stehen, winken sie zu mir rüber, so als ob sie 'Hallo, Dagi!' schreien würden. Und dann winke ich zurück. Das ist aber auch der Grund, warum ich derzeit die Vorhänge zugezogen habe und nichts vom wunderschönen Graben sehe. Ich will nicht, dass mir die Leute beim allmorgendlichen Tanztraining zusehen.

Wie man unschwer sieht, bin ich eine richtige Sammlerin. Vor allem chinesische und japanische Sachen haben es mir angetan. Das Meiste habe ich von meinen Tourneen angeschleppt. Und die beiden kleinen Statuetten Don Quijote und Sancho Panza habe ich vor 36 Jahren von unserem langjährigen Freund Hans Dichand geschenkt bekommen. Hier ist halt nie Langeweile. Doch den größten Platz nehmen mittlerweile die vielen Auszeichnungen und Pokale ein, die Helmut und ich im Laufe der Zeit bekommen haben. Und natürlich die vielen Bücher. Meine Haushaltshilfe Mila wollte mir unlängst eine Freude machen und hat alle Bücher nach den Farben der Buchrücken sortiert. Na ja, aufgeräumt schaut's halt aus.

Einer der Orte, wo ich mich am liebsten aufhalte, ist diese Chaiselongue von Le Corbusier. Das ist eine originale LC4. Sie stammt noch aus der ersten Charge und hat unten ein Etikett, wo man genau sieht, dass die ersten LC4-Liegen noch per Hand durchnummeriert wurden.

Ach, ich liebe diese Wohnung. Wenn man so viel auf Tournee ist, wie das bei mir der Fall war, dann sehnt man sich nach dem Zuhause, dann ist man nur dann daheim, wenn es rundherum nicht schon wieder so ausschaut wie im tausendsten Hotelzimmer. Nur beim Schlafzimmer habe ich eine Ausnahme gemacht: Das ist eine Kopie des Regent-Hotels in Hongkong, mit genau dem gleichen Bett und genau dem gleichen Vorhangstoff, denn dieses eine Hotel, das muss ich wirklich sagen, hat mich ehrlich beeindruckt.

Es ist mein Wunsch, hier in dieser Wohnung bis zu meinem Lebensende zu bleiben, mit dem Meinl nebenan und den vielen, vielen Menschen, die den Graben auf und ab spazieren. Das zu sehen ist einmalig. Das hält einen wach." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 28.9.2013)