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Im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen ist für Menschen mit Sozialer Phobie eine Albtraum.

 

Bonn - Sprechen vor mehreren Zuhörern ist eine Qual, Ausgehen mit Freunden angstbesetzt: Rund acht Prozent der Männer und etwa elf Prozent der Frauen erkranken an einer Sozialen Phobie, die nach Depression und Alkoholmissbrauch zu den häufigsten psychischen Erkrankungen zählt. Ärzte, Psychologen und Humangenetiker des Universitätsklinikums Bonn fahnden nach den Ursachen der Sozialen Phobie.

Eine 30-Jährige studiert noch, während ihre Kommilitonen längst fertig sind. Der Grund: Sie schiebt die Abschlussprüfung immer weiter hinaus, weil es ihr unmöglich erscheint, vor größeren Gruppen zu sprechen. Ein kaufmännischer Angestellter zieht seine Beförderung zurück, weil er in einer Leitungsposition plötzlich im Schlaglicht der Aufmerksamkeit steht. Eine Zahntechnikerin geht immer alleine in die Mittagspause, obwohl sie viel lieber mit ihren Kollegen zusammen wäre. Sie hat eine irrationale Angst davor, beim Essen unangenehm aufzufallen oder etwas Falsches zu sagen. Vor Smalltalk graut es ihr.

Körperliche Reaktionen

Alle drei Fallbeispiele eint die Diagnose "Soziale Phobie". Betroffene fürchten sich davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich peinlich zu verhalten oder beschämt zu werden. "Ihre Angst wird verstärkt, weil sie glauben, dass ihnen ihre Nervosität angesehen wird", sagt Rupert Conrad, Forschungsleiter der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. "Die Konfrontation mit der gefürchteten Situation ruft fast immer auch körperliche Angstreaktionen hervor: zum Beispiel Erröten, Zittern, Herzrasen, Atemnot und Panikgefühle", betont Franziska Geiser, Leiterin der Klinik.

"Menschen mit sozialen Ängsten gehen von vornherein Situationen aus dem Weg, in denen sie der Bewertung durch andere ausgesetzt sein könnten – manche gehen gar nicht mehr vor die Tür", sagen die Psychologinnen Alexandra Kleiman und Stefanie Rambau von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. Die Erkrankten scheuen vor Freundschaften und Nähe zurück, sehnen sich aber gleichzeitig danach.

Häufig bevorzugen sie Kontakt vor allem über Telefon und soziale Netzwerke, weil diese Medien Distanz erlauben. Soziale Phobien können mitunter zur vollkommenen Isolation führen oder zumindest die berufliche und private Entwicklung sehr erschweren. Viele Betroffene erkranken zusätzlich an einer Depression oder versuchen ihre Ängste und Hemmungen mit Hilfe von Alkohol oder anderen Drogen zu bewältigen.

Genetische Ursachen

Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie führen mit dem Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn das Forschungsprojekt "Social Phobia Research" durch. "Ziel ist, die biologischen Ursachen der Sozialen Phobie und ihre Interaktion mit individuellen Entwicklungsbedingungen zu erforschen", sagt Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. Anhand von Blutproben werden mögliche genetische Ursachen untersucht, mit Fragenbögen individuelle Hintergründe erfasst.

Betroffene aus ganz Deutschland können durch ihre Teilnahme an der Studie einen großen Beitrag dazu leisten, das Verständnis und die Akzeptanz für Soziale Phobie zu vertiefen sowie die Diagnostik und Therapie zu verbessern. Fragen zur Studie können per E-Mail oder telefonisch unter den oben stehenden Kontaktadressen geklärt werden. (red, derStandard.at, 7.10.2013)