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Es gibt viele psychosomatische und organische Ursachen für Schwindel - die falsche Vorhersage von Eigenbewegungen ist aber offenbar keine davon.

Foto: ap /herbert knosowski

Tübingen - Patienten mit chronisch idiopathischem Schwindel zeigen definitionsgemäß keine Anzeichen einer vestibulären Störung oder anderer organischer Ursachen. Psychosomatische Auslöser führen somit in den meisten Fällen die Rangliste möglicher Ursachen an.

Das "prominenteste" Konzept psychogener Schwindelformen ist der phobische Schwankschwindel. Neben psychischen Auslösern wird bei ihm auch eine fehlerhafte sensorische Wahrnehmung von Eigenbewegung als mögliche Ursache diskutiert. Tübinger Hirnforscher überprüften diese Annahme erstmals in einer Studie, konnten die Hypothese jedoch nicht bestätigen.

Andauernde Bewegungsillusionen

Chronisch idiopathischer Schwindel wird häufig unter dem Begriff des phobischen Schwankschwindels beschrieben. Er ist durch einen Schwindel und das Gefühl einer Gleichgewichtsstörung charakterisiert. Typische vestibuläre Symptome wie eine eindeutig beschreibbare Drehbewegungsillusion der Umgebung oder eine objektivierbare Stand- und Gangstörung fehlen ebenso wie pathologische Befunde in der vestibulären Funktionsdiagnostik.

Der Schwindel verstärkt sich häufig bei Kopf- und Körperbewegungen und kann dabei von kurz andauernden Bewegungsillusionen begleitet sein. Dies hat vor dem Hintergrund einer multisensorischen Entstehung von Schwindel zu folgendem Erklärungsversuch geführt: Schwindelsensationen bei diesen Patienten können auf Störungen der Abstimmung zwischen erwarteten und tatsächlich eingehenden sensorischen Informationen beruhen. 

Kein Zusammenhang

Jede Bewegung seiner selbst, wie zum Beispiel das Umherschauen im Raum, führt zu selbst hervorgerufenen Veränderungen der sensorischen Eingänge. Werden diese Veränderungen vom Gehirn nicht richtig vorhergesagt, würden veränderte sensorische Eingänge als von außen hervorgerufen fehlinterpretiert. Damit könnten sie folglich zu Schwindel Anlass geben. "Mit unserer Studie konnten wir nun zeigen, dass es eben doch keinen Zusammenhang zwischen dem individuellen Schweregrad des Schwindels und einer Störung der Vorhersage von Eigenbewegung gibt, zumindest in Bezug auf langsame Augenbewegungen", sagt Neurologe Jörn Pomper am Universitätsklinikums Tübingen.

In der Tübinger Studie sagten sowohl die Patienten als auch die gesunden Probanden retinale Bildverschiebungen, induziert durch langsame Augenfolgebewegungen, in gleicher Weise voraus. Zudem zeigten sie die gleiche Anpassung ihrer Vorhersagen, entsprechend den veränderten Anforderungen des visuellen Kontexts. Eine teilweise Entkoppelung zwischen Vorhersage und wahrgenommener Eigenbewegung konnte somit nicht nachgewiesen werden. (red, derStandard.at, 21.11.2013)