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Diese beiden Männer heirateten in San Francisco. Im Bundesstaat Kalifornien ist die Konversionstherapie für Minderjährige illegal, nicht so in anderen US-Bundesstaaten.

Foto: Marcio Jose Sanchez/AP/dapd

Bis in die 1960er-Jahre versuchte man homosexuellen Männern ihre Neigung mit chemischer Kastration oder Schmerz auszutreiben. Bis Ende der 1980er-Jahre wurden Elektroschocktherapien eingesetzt, um die "Krankheit" zu bekämpfen. Und das, obwohl bereits im Jahr 1974 die amerikanische Psychiatervereinigung Homosexualität aus ihrem Diagnoseklassifikationssystem gestrichen hatte. 1992 nahm sie auch die Weltgesundheitsbehörde von ihrer Liste psychischer Erkrankungen.

Evangelikale Gruppen glauben trotzdem daran, dass Homosexualität veränderbar ist und bieten eine so genannte Konversionstherapie an, die im Jahr 2010 von der Britischen Ärztekammer als "schädlich" eingestuft wurde. Aufrgund der erheblichen wissenschaftlichen Zweifel wurde die "Therapie" in den US-Bundesstaaten Kalifornien und New Jersey für Minderjährige verboten. Im August 2013 bestätigte ein Gericht das kalifornische Verbot, Anfang November sah auch eine Richterin in New Jersey keinen Verstoß gegen die Verfassung durch den Bann der Therapien. Klagen von Eltern, die ihre Kinder weiter "behandeln" lassen wollten, wurden abgewiesen.

Zu wenig Männlichkeit

Grundlage für diese "Therapie" ist unter anderem die Lehre des amerikanischen Psychiaters Joseph Nicolosi, Gründer der "Nationalen Vereinigung für Forschung und Therapie von Homosexualität" in den USA. Nicolosi geht davon aus, dass sich homosexuelle Männer vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen, weil sie selbst zu wenig Männlichkeit besitzen und diese in ihren Sexualpartnern suchen. Außerdem seien ein fehlender Vater und eine überfürsorgliche Mutter Grund für die Homosexualität. Der britische Journalist Patrick Strudwick schleuste sich vor drei Jahren in solche Therapien ein. Er bezeichnet sich selbst als "glücklicher geouteter homosexueller Mann".

In seinem daraufhin erschienen Artikel im "Independent" berichtet er von der "Behandlung" durch eine Psychotherapeutin und einen Psychiater. Die Sitzungen nahm er mit einem Diktiergerät auf. Gebete, freundschaftlicher Kontakt zu anderen Männern und das Finden seiner Männlichkeit durch Blick auf seinen nackten Körper sollten Strudwick heilen. Zudem ging die Psychotherapeutin von sexuellem Missbrauch in der Familie aus – auch wenn er das selbst abstritt.

"Brainwashing"

Auch in Österreich ist Johannes Wahala von der Beratungsstelle "Courage" mit Leuten aus Konversionstherapien konfrontiert. In den vergangenen 13 Jahren meldeten sich etwa zehn Personen, die mit Problemen nach solchen "Therapien" zu kämpfen hatten. So berichtet Psychotherapeut Wahala von dem Fall eines jungen Mannes, der schwer depressiv, mit Angstzuständen und Panikattacken zur Beratung kam. Erst nach einer psychiatrischen Behandlung und Psychopharmaka konnte seine innere Homophobie abgebaut werden.

Die Therapien, die oft nur Männer ansprechen, finden laut Wahala allerdings nicht in Österreich statt, sondern vor allem in Deutschland und Kroatien. Ein junger Mann mit kroatischen Wurzeln wurde etwa von seinem Vater aus Österreich verschleppt und zu dieser "Behandlung" gezwungen. Schwere Depressionen waren die Folge. Wahala spricht von "Brainwashing" durch christlich ideologisierte Menschen.

Kirche: Keine feste Meinung zu Therapien

In Deutschland sind es das "Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft" und der Verein "Wüstenstrom", die mit der Veränderung von Homosexualität zu Heterosexualität Werbung machen.  Die kirchlich angehauchten Gruppierungen basieren ebenfalls auf der Lehre von Dr. Nicolosi, der von fehlender Männlichkeit der Betroffenen ausgeht. Auf ihren Internetauftritten halten die beiden Gruppen zwar fest, dass sie Homophobie ablehnen, doch wollen sie sich "für das Recht des Einzelnen auf Veränderung seiner homosexuellen Orientierung einsetzen".

Die Kirche selbst hat keine festgelegte Meinung zu Konversionstherapien. In einer Stellungnahme von Bischof Klaus Küng, der für Fragen der Medizinethik in der österreichischen Bischofskonferenz zuständig ist, heißt es: "Was die katholische Kirche über Homosexualität lehrt, steht im Katechismus, vor allem der respektvolle Umgang mit Homosexuellen. Ob und auf welche Weise Homosexualität "heilbar" ist, ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das eher in den medizinischen oder psychologischen Bereich fällt und zu dem die Kirche keine Lehre hat." Laut Johannes Wahala, der katholischer Priester war, gibt es in Österreich allerdings immer noch kirchliche Würdenträger, die bei Homosexualität solche Therapien empfehlen.

Der Umgang mit Homosexuellen ist im Katechismus aus dem Jahr 1993 genau festgelegt. Darin heißt es, dass eine "nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen homosexuell veranlagt" sei. Sie hätten ihre "Veranlagung nicht selbst gewählt" und es würde für die meisten von ihnen "eine Prüfung darstellen". Deshalb müsste man diesen Menschen "mit Achtung, Mitleid und Takt begegnen" und dürfe sie nicht "ungerecht zurücksetzen". Weiter heißt es: "Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen."

Erfolg nicht feststellbar

Ein Erfolg der Konversionstherapien konnte laut einer Studie der Amerikanischen Psychiatervereinigung nicht festgestellt werden. Zwar gebe es zu wenige Untersuchungen, um eine Schädlichkeit der Behandlungen festzustellen, doch wären sie schier nutzlos. Im Jahr 2001 wurden in den USA zwei Studien zu dem Thema veröffentlicht.

Die Untersuchung von Robert Spitzer, Psychiater an der Columbia University, beruht auf Telefoninterviews mit 143 Männer und 57 Frauen, die eine Konversionstherapie durchlaufen haben. 66 Prozent der befragten Männer und 44 Prozent der Frauen gaben an, dass sie eine "gute heterosexuelle Funktionalität" erreicht hätten. Allerdings fügte Spitzer hinzu, dass es sich bei den Befragten um "unüblich religiöse" Personen handle und die Anzahl der Homosexuellen, die erfolgreich heterosexuell werden könnten, "sehr gering" ist. 93 Prozent aller Befragten gab an, dass Religion "extrem" oder "sehr" wichtig in ihrem Leben sei.

Die Studie der New Yorker Psychologen Ariel Shidlo und Michael Schroeder aus demselben Jahr basierte auf 202 Personen, die sich einer "Therapie" unterzogen hatten. Eine große Mehrheit, 178 Personen, gab an, dass der Wandel ihrer sexuellen Orientierung gescheitert ist, viele hatten mit psychischen Problemen zu kämpfen und nur sechs Personen vollzogen eine heterosexuelle Veränderung.

Gesetzesvorschlag in Deutschland

Aufgrund der erheblichen Zweifel wollen in Deutschland die Grünen diese "Therapien" gänzlich verbieten und brachten einen Gesetzesvorschlag ein. Bei Verstoß gegen das Verbot sollen Strafen von bis zu 500 Euro verhängt werden.

Auch Maria-Anna Pleischl, Präsidentin des österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, hält diese Therapien für schädlich. Ihr ist allerdings kein Therapeut in Österreich bekannt, der solche Behandlungen anbietet. "Sollte ich von einem Kollegen erfahren, dann würde ich sofort ein Verbot anstrengen", sagt Pleischl. Würde ein Patient in ihre Praxis mit dem Wunsch nach Umorientierung kommen, "müsste man sich den jeweiligen Fall anschauen". Sie würde aber nie von "Heilung" sprechen, da Homosexualität keine Krankheit ist. Manchmal könnte es allerdings eine Phase in der Jugend sein, "ein wenig Ausprobieren".

Aufregung in Österreich

In Österreich zeigte ein Fall aus dem Jahr 2007 die Einstellung von SPÖ und ÖVP zu diesen "Therapien". So wurde zu einem Kongress der Grazer Uni-Kliniken für Psychiatrie sowie medizinische Psychologie und Psychotherapie Markus Hoffmann von der deutschen Gruppe "Wüstenstrom" eingeladen.

Nach Bekanntwerden der beruflichen Geschichte des Redners drohte der steirische Landeshauptmann Franz Voves mit der Entziehung des Ehrenschutzes. Mit der Begründung, dass es eine klare Haltung der SPÖ in Sachen Homosexualität gebe, wolle man derartigen Organisationen keinen Raum geben. Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl sah keinen Grund für Drohungen. Für ihn sei ein Kongress dazu da, Thesen aufzustellen, die widerlegt werden können. Hoffmann sagte seine Reise nach Graz ab. (Bianca Blei, derStandard.at, 16.12.2013)