Der Ring von Brodgar steht seit fast 5000 Jahren auf den Orkney-Inseln im Norden Schottlands. Die Anlage dürfte die Mutter aller britischen Megalithbauwerke darstellen.

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Die Stones von Stenness rund 1,6 Kilometer süd-östlich des Rings von Brodgar.

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London/Wien - Die berühmteste Anlage dieser Art steht ganz im Süden Englands: die Megalithe (griechisch für "große Steine") von Stonehenge. Archäologen sind bis heute damit befasst, den genauen Zweck der Steinkreise zu entschlüsseln und auch deren Herkunft zu eruieren. Relativ unumstritten ist, dass die Anlage eine lange Baugeschichte hat und die eigentliche Megalithstruktur vor rund 4500 Jahren errichtet wurde, um damit unter anderem die Sonnenwenden zu bestimmen.

Doch gab es für die Anlage von Stonehenge irgendwelche Vorbilder? Tatsächlich existieren in mehreren Gegenden Großbritanniens Reste ähnlicher Bauwerke. Einige dieser Steinformationen befinden sich ausgerechnet auf den Orkney-Inseln, einer nicht ganz leicht erreichbaren Inselgruppe ganz im Norden Schottlands. Das ist seit längerem bekannt, und die Unesco erkannte "dem Herzen des steinzeitlichen Orkney" auch schon den Status als Weltkulturerbe zu.

Seit genau zehn Jahren forschen Archäologen an der ältesten der steinzeitlichen Anlagen vor Ort: Ness of Brodgar wurde vor 5200 Jahren errichtet, ist größer als ein Fußballfeld und weist unter anderem eine Mauer auf, die über 100 Meter lang und vier Meter dick ist.

Wie Michael Balter im Fachblatt "Science" berichtet, war diese Anlage quasi die Vorübung für die ersten Megalithstrukturen auf den britischen Inseln: für die in unmittelbarer Nähe errichteten Stones von Stenness und für den Ring von Brodgar. Dieser umfasste ursprünglich 60 bis zu 4,5 Meter große Steine, die rund 200 Jahre vor Stonehenge in einem Kreis mit dem Durchmesser von 108 Metern aufgestellt worden waren.

Nach neuesten Funden gehen Archäologen um Nick Card davon aus, dass schon der Bau dieser Anlage quasi rituelle Zwecke hatte - um die verschiedenen Bevölkerungsgruppen von Orkney in einer gemeinsamen Anstrengung zu vereinigen. Diese These hilft auch bei der Erklärung, warum ausgerechnet von dort etliche steinzeitliche Innovationen (wie die Grooved-Ware-Keramik) auf den britischen Inseln stammten.

Man nimmt an, dass sich vor rund 5500 Jahren Siedler aus Kontinentaleuropa auf den Inseln niederließen und es in Interaktion mit den Einheimischen zu den Neuerungen kam. Diese Annahme steht indes auf schwachen Beinen: auf jenen 5000 Jahre alter Feldmausskelette nämlich, die man auf den Orkney-Inseln fand. Die Nager gab es zu dieser Zeit zwar auf dem Kontinent, aber auf keiner anderen britischen Insel. (tasch, DER STANDARD, 3.1.2014)