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Schon Humphrey Bogart wusste um die Reizwirkung des Blickkontakts.

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Leipzig - Direkter Blickkontakt als Zeichen sozialer Aufmerksamkeit ist eine einzigartige Erscheinung menschlicher Interaktion. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI) in Leipzig wiesen nun in Experimenten nach, dass plötzlicher direkter Blickkontakt die Aufmerksamkeit des Angeschauten besonders intensiv auf sich zieht. Ausschlaggebend für die Wirkungsmacht ist die kombinierte Verarbeitung von Blickreiz und Bewegungsreiz, so die Forscher. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin "Psychological Science".

Dass direkter Blickkontakt die Aufmerksamkeit des Gegenübers erhöht, gehört zu den Alltagserfahrungen - der Blickkontakt ist ein Teil der menschlichen sozialen Interaktion und Kommunikation. Dieses Phänomen, das es so nur beim Menschen gibt, wird als sozialer Aufmerksamkeitsreiz bezeichnet. Daneben gibt es auch die nicht-sozialen Aufmerksamkeitsreize, beispielsweise Licht, Geräusche oder Bewegungen. Beide Reizformen sind jeweils bereits ausführlich untersucht worden, deren Zusammenwirken liegen bisher jedoch kaum Erkenntnisse vor.

Nachweis im Experiment

"Zunächst haben wir uns daher die Frage gestellt, ob unsere Beobachtung, dass der Blickkontakt gepaart mit der Plötzlichkeit der Bewegung unsere Aufmerksamkeit ganz besonders stark reizt, tatsächlich signifikant nachzuweisen ist", erklärt Anne Böckler vom MPI.

In einem Experiment eruierten die Forscher die Reaktionszeiten von Versuchspersonen, denen auf Bildschirmen zeitgleich viermal das Gesicht einer Person gezeigt wurde: Zweimal schaute die abgebildete Person die Probanden direkt an, zweimal wendete sie den Blick ab. Auf der Stirn der Person war zu Beginn des Durchlaufs die Zahl acht abgebildet. Dann wechselten die Bilder, statt der Zahl erschienen nun Buchstaben auf den Stirnen.

Gleichzeitig änderten zwei Gesichter die Blickrichtung, eines wandte sich ab und eines den Probanden plötzlich zu. Die Probanden mussten nun so schnell wie möglich per Tastatur angeben, ob einer von zwei bestimmten Buchstaben zu sehen war. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass die Reaktionszeiten schneller waren, wenn der relevante Buchstabe auf ein Gesicht fiel, das die Probanden direkt anschaute. Diese Gesichter zogen also mehr Aufmerksamkeit auf sich als jene, die vom Teilnehmer wegschauten. Am schnellsten war die Reaktionszeit bei den Gesichtern, die sich bewegten.

Starker sozialer Aufmerksamkeitsreiz

"Das zeigt deutlich, dass die Aufmerksamkeit, die dann ein schnelles Reagieren ermöglicht, von dem plötzlichen Blickkontakt am stärksten aktiviert wird", erläutert Böckler. Darauf aufbauend unternahmen die Forscher einen zweiten Versuch. Wieder verfolgten die Probanden die Präsentation von vier zeitgleich auf dem Bildschirm erscheinenden Gesichtern mit Buchstaben. Erneut mussten sie auf zwei bestimmte Buchstaben achten und schnell die jeweilige Taste drücken. Diesmal waren die Buchstaben auf den abgebildeten Gesichtern allerdings erst mit nach der Veränderung der Blickrichtungen zu sehen. Wieder wurden die Reaktionszeiten gemessen und ausgewertet.

Dabei ergab sich erneut, dass der direkte Blickkontakt die Aufmerksamkeit stärker auf sich zog als abgewendete Blicke, die verzögerte Anzeige des relevanten Buchstabens hatte keinen Einfluss auf die Wirkung der sozialen Reize. Im Gegensatz dazu zeigte sich jedoch, dass nun die Reaktionszeiten der Studienteilnehmer bei den unbewegten Gesichtern schneller waren als bei den bewegten Gesichtern; Bewegte Gesichter erregten also weniger Aufmerksamkeit als unbewegte.

"Inhibition of Return"

Die Forscher erklären dies mit einem Phänomen, das in der Verhaltensforschung unter dem Begriff "Inhibition of Return" bekannt ist. Dieses Phänomen beschreibt folgende Beobachtung: Plötzliche, nicht-soziale Reize (z.B. ein Knall oder ein Lichtblitz) ziehen unsere Aufmerksamkeit zwar unmittelbar an den Ort des Reizes, kurze Zeit später werden jedoch an ebendiesem Ort auftretende Ereignisse schlechter wahrgenommen. Die Aufmerksamkeit ist also für diesen Bereich kurzzeitig gehemmt. Im Experiment hatte sich gezeigt, dass im Gegensatz zu den sozialen Reizen die Bewegungsreize durch die Verzögerung der Buchstaben gehemmt waren.

Die Ergebnisse aus den beiden Versuchen bestätigen demnach: die starke Reizwirkung des plötzlichen Blickkontakts ist nachweisbar und ergibt sich aus der Kombination der Effekte von Blickkontakt und Bewegung, die wiederum auf unterschiedlichen Wirkmechanismen beruhen. (red, derStandard.at, 9.1.2013)