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Blutarmut als innerer Vampir. In Österreich leiden etwa 250.000 Menschen, älter als 65 Jahre, an Blutarmut, rund die Hälfte aller Österreicher über 80 Jahre ist anämisch.

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"Blut ist ein ganz besondrer Saft", diagnostiziert bereits Mephisto dem armen Faust, der seine Seele an den Teufel verkauft und den Pakt mit einem Blutstropfen besiegelt. Besonders ist er insofern, als er für viele Funktionen im Körper verantwortlich ist. Ein Mangel an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin) oder roten Blutkörperchen (Erythrozyten) kann viele Folgen haben. Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Leistungsabfall, Atemnot, Herzklopfen bei Belastung, Schwindel, Kopfschmerz, Blässe, Schlafstörung. Anämie kann die Ursache sein.

Teuflische Blutkörperchen

Goethes Teufel sitzt in den roten Blutkörperchen, die im Knochenmark gebildet werden. Die Anzahl neugebildeter Erythrozyten wird vom Erythropoetin reguliert, einem Hormon, das in der Niere gebildet wird. Ein gesunder Erwachsener hat ungefähr 25.000 Milliarden rote Blutkörperchen, die sich einem ständigen Auf- und Abbau befinden. Ihr wichtigster Bestandteil ist der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin. Dieser besteht wiederum aus Eiweiß (Globin) und dem eigentlichen Blutfarbstoff, dem Häm, einer eisenhaltigen Substanz, die für die Bindung des Sauerstoffs an die roten Blutkörperchen verantwortlich ist. Ein gesunder Erwachsener besitzt etwa 650 Gramm Hämoglobin.

Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen ist der Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Lunge und Gewebe, wobei dem Eisen als Transportmittel eine bedeutende Rolle zukommt. Dementsprechend ist auch die Eisenmangelanämie die häufigste Form der Blutarmut. Gleichzeitig ist sie auch "am leichtesten zu behandeln - ebenso wie Anämien aufgrund einer Unterversorgung mit Vitamin B12 oder Folsäure", erklärt Hämatologe Bernd Hartmann von der Abteilung Innere Medizin am Vorarlberger Landeskrankenhaus Rankweil, das eine Spezialambulanz für Bluterkrankungen betreibt.

Statistik und Alter

Blutarmut tritt laut Hartmann häufiger mit zunehmendem Alter auf. In Österreich leiden laut Statistiken etwa 250.000 Menschen, älter als 65 Jahre, an Blutarmut, rund die Hälfte aller Österreicher über 80 Jahre ist anämisch. "Wobei man mit Statistiken aufpassen muss", relativiert Hartmann. Da die diagnostischen Blutrichtwerte für alle erwachsenen Altersgruppen gleich sind, jedoch die Zahl der Erythrozyten von 70-Jährigen aufgrund des biologischen Alterungsprozesses niedriger ist als jene von 20-Jährigen, könne eine schwach ausgeprägte Anämie im Alter auch natürlich sein und keiner Behandlung bedürfen - dennoch seien auch diese Fälle von den Statistiken erfasst.

Die exakte Diagnose der Blutarmut erfolgt durch Blutuntersuchungen, die Therapie richtet sich nach der Ursache. Die Behandlung der am häufigsten vorkommenden Mangelanämien (Eisen, Vitamin B12, Folsäure) bestehe meist in der Zufuhr des Spurenelements oder der Vitamine in Form von Tabletten oder Infusionen, in vielen Fällen reiche laut Hartmann auch schon ein Diätplan: Es gibt zahlreiche Lebensmittel, die eine ausreichende Versorgung mit den notwenigen Substanzen sicherstellen. Im Normalfall sei die Anämie dann nach wenigen Wochen oder Monaten behoben.

Stoffwechsel-Problematik

"Allerdings gibt es auch Patienten, die Eisen oder Vitamine nicht aufnehmen können, weil sie eine Darm- oder Stoffwechselerkrankung haben, die hin und wieder auch genetisch bedingt ist. Bei solchen Anämieformen müssen Patienten oft ein Leben lang behandelt werden - meistens durch intravenöse Verabreichung der fehlenden Stoffe."

Was Hartmann in der Bluterkrankungsspezialambulanz als bedenklichen Trend registriert, "ist eine Zunahme von Anämien bei jüngeren Patienten". Ursache sei oft eine Kombination aus mangelnder Nährstoffzufuhr und mangelhafter Nährstoffaufnahmefähigkeit. Warum das so ist, müssten Studien erst noch klären.

Lückenhaftes Wissen attestiert der Facharzt der Wissenschaft auch bezüglich sogenannter "Anämien der chronischen Erkrankungen". Insbesondere Rheumapatienten hätten oft Anämie. Die Vermutung: Die Entzündungsprozesse im Organismus wirken sich negativ auf die Blutbildung im Knochenmark aus. Da man aber nicht wisse wie, sei es auch nicht einfach, hier eine adäquate Therapie anzubieten.

Schwere Erkrankungen

Ansonsten ließen sich neben den Mangelanämien auch die meisten selteneren, aber schwerwiegenderen Anämieformen recht gut behandeln. Insbesondere auf dem Gebiet der Knochenmarktransplantation gebe es große medizinische Fortschritte. Eine solche kann notwendig werden, wenn etwa eine schwere aplastische Anämie vorliege, bei der das Knochenmark unreife oder zu wenige Blutzellen produziert.

In einigen Fällen würden auch Blutkonserven und Wachstumsfaktoren für Erythrozyten eingesetzt. Und einige moderne Medikamente würden das Blutbild ebenfalls stabilisieren, ohne dass die Patienten regelmäßige Transfusionen brauchen. (Andreas Feiertag, DER STANDARD, 14.1.2014)