80 Prozent der Gelbschnabelsturmtaucher brüten auf den Azoren. Auf der kleinen Insel Corvo leben die Tiere in Angst und Schrecken: Verwilderte Katzen bedrohen den Bestand der Meeresvögel.

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Die 17 Quadratkilometer kleine Azoren-Insel Corvo ist eigentlich ein kleines Paradies. Das bergige Eiland im Atlantik ist von Weideland geprägt, dazu gibt es Wald und steile Küstenklippen. Es gibt nur ein Dorf mit 425 Einwohnern und viele Katzen - eine Idylle, könnte man meinen. Wenn nur nicht die Katzen für Angst und Schrecken unter den Meeresvögeln sorgen würden.

Dass herrenlose Katzen die Vogelwelt auf Inseln dezimieren, ist nicht neu. Die Tiere gelten bei der Futtersuche als Generalisten, die nehmen, was sich bietet. Unerforscht war bisher der Zusammenhang zwischen dem lokalen Beuteangebot und dem, was die Katzen davon fressen - und zu welcher Jahreszeit. Genau das wollte das Team um Sandra Hervías Parejo von der Universität Murcia auf Corvo herausfinden.

Für ihre Untersuchung ermittelten die Forscher zunächst die jeweiligen Populationsgrößen von Nagern, Land- und Seevögeln sowie von Gliederfüßern, also Insekten und Spinnen. Die von Katzen erlegte Beute bestimmten die Zoologen mit Kotanalysen.

Die Ergebnisse der im "Journal of Zoology" publizierten Studie überraschen. Auf Corvo machen die ebenfalls von Menschen eingeschleppten Mäuse und Ratten zwar einen Gutteil der Katzenkost aus, das gilt aber vor allem in der kalten Jahreszeit. Im Sommer hingegen fressen sie massenhaft Sperlinge und Sturmtaucher, und zwar vor allem die wehrlose Brut. Außerhalb der Brutzeit hingegen waren die Sturmtaucher auf See und so vor den Katzen sicher.

Dass sich die verwilderten Katzen vor allem an den Nestlingen des Gelbschnabelsturmtauchers gütlich tun, ist deshalb besonders bedrohlich, weil 80 Prozent des Weltbestandes des Meeresvogels auf den Azoren leben.

Konkret handelt es sich um 500.000 Paare, die auf der portugiesischen Inselkette im Atlantik nisten. Kleinere Bestände der langlebigen Flugakrobaten gibt es noch auf einigen Mittelmeerinseln. Die weitläufig mit dem Albatros verwandten Seevögel werden einen halben Meter lang bei einer Spannweite von mehr als einem Meter. Weitere Meeresvogelarten fanden die Forscher auf der Insel nicht, offenbar deshalb, weil die Vögel bereits von verwilderten Katzen ausgerottet wurden.

Hauskatzen bleiben in der Nähe ihres Heimes

Parallel zu ihren Untersuchungen an den verwilderten Katzen ermittelten die Forscher, wie weit sich Hauskatzen in der Natur bewegen, wenn ihre Besitzer sie tagsüber freilaufen lassen. Dabei zeigte sich, dass die Streifzüge der Katzen, die mit GPS-Sendern ausgestattet worden waren, nicht vom saisonalen Beuteangebot abhängig waren, sondern von Temperatur, Lichtverhältnissen und Regen. Die meisten Hauskatzen entfernten sich maximal 800 Meter vom Haus.

Die Forscher regen in ihrem Resümee an, zum Schutz von Brutkolonien seltener Vögel in deren Umfeld Katzenhaltungsverbote auszusprechen. Abseits dieser Zonen seien Hauskatzen keine große Bedrohung. Herrenlose Tiere gelte es aber, konsequent zu bejagen, da diese überall unterwegs seien. In den Worten der Wissenschafter: "Nur die Ausrottung verwilderter Katzen kann auf Inseln die ursprüngliche lokale Artenvielfalt erhalten." (Kai Althoetmar, DER STANDARD, 19.2.2014)