Bild nicht mehr verfügbar.

Johannes Dürr ist bei einem Dopingtest durchgefallen.

Foto: APA/Schlager

Bild nicht mehr verfügbar.

Waren bedient: Markus Gandler, ÖSV-Sportdirektor Langlauf und Biathlon ...

Foto: apa/schlager

Bild nicht mehr verfügbar.

ÖOC-Präsident Karl Stoss.

Foto: APA/Techt

Sotschi - Turin 2006 bleibt in der olympischen Geschichte Österreichs bis auf weiteres singulär, sowohl in puncto Medaillenausbeute (23, davon neun aus Gold) als auch in puncto Skandalausmaß. Sotschi 2014 war aber auch nicht von schlechten Eltern, wird doch neben den 17 Medaillen der Dopingfall Johannes Dürr in Erinnerung bleiben - vermutlich länger als mancher Erfolg.

Kurz nach Anbrechen des letzten Wettkampftages, einige Stunden vor dem Massenstartrennen über 50 Kilometer, für das er als Mitfavorit gegolten hatte, wurde das Österreichische Olympische Comité (ÖOC) darüber informiert, dass der Langläufer Dürr bei einer Trainingskontrolle am 16. Februar positiv auf Erythropoetin (Epo) getestet worden war. Der 26-jährige Niederösterreicher, von Wolfgang Schobersberger, dem Leiter des ÖOC-Ärzteteams, zur Rede gestellt, gestand sofort.

Eine Öffnung der B-Probe ist aufgrund des Geständnisses unnötig. Der ÖSV kündete den Ausschluss des Athleten aus dem Verband an, was praktisch mit einem Karriereende gleichzusetzen ist.

"Mir bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als mich bei allen zu entschuldigen - bei meiner Familie, meiner Frau. So viele Leute haben sich für mich den Arsch aufgerissen, und ich hab sie mit meiner Blödheit enttäuscht. Ich wusste, was ich getan habe. Ich kann das nicht mehr gutmachen. Es ist das Schlimmste, was ich in meinem Leben gemacht habe", sagte der sichtlich mitgenommene Dürr im Interview mit dem ORF am Flughafen. Er erklärte, er habe "mit Sicherheit" den falschen Leuten vertraut. "Was jetzt auf mich zukommt, weiß ich selber noch nicht genau", Angst habe er aber keine: "Ich bin auf der anderen Seite froh, dass das ein Ende genommen hat."

ÖOC "schockiert"

"Wir sind über diese Meldung schockiert, haben umgehend die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet: Das heißt, der Athlet wurde informiert und über seine Rechte aufgeklärt, ihm wurde die Akkreditierung abgenommen und der sofortige Ausschluss aus der Olympia-Mannschaft wurde vollzogen", erklärte ÖOC-Präsident Karl Stoss in einer Pressemitteilung. Man sei vom IOC in der Nacht auf Sonntag informiert worden, dass Dürr bei einer Trainingskontrolle am 16. Februar in Österreich positiv auf ein Epo-Präparat getestet wurde. Daraufhin habe man den Athleten davon in Kenntnis gesetzt und seine Nennung für den Abschlussbewerb zurückgezogen." Er hat gesagt, er sei ein Einzeltäter, niemand anderer ist involviert", sagte Stoss auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Krasnaja Poljana.

Dürr ist damit der fünfte bekannt gewordene Dopingfall der Olympischen Winterspiele in Sotschi. In den vergangenen Tagen waren bereits die Fälle der deutschen Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle, des lettischen Eishockeyspielers Vitalijs Pavlovs, des italienischen Bobfahrers William Frullani und der ukrainischen Langläuferin Marina Lisogor bekannt geworden.

Training in der Heimat

Dürr hatte beim Skiathlon über 30 km am 9. Februar den achten Platz belegt, danach war er für zehn Tage in die Heimat zurückgekehrt, um sich auf den 50-km-Wettbewerb vorzubereiten. Seit seinem dritten Platz bei der diesjährigen Tour de Ski galt Dürr als Medaillenanwärter im Königsbewerb der Langläufer.

"Ich gehe nicht in das Rennen hinein und sage, es muss eine Medaille sein, aber ich weiß, dass, wenn alles passt, eine Medaille möglich ist. Deshalb bin ich zuversichtlich", sagte Dürr noch am Samstag. "Langläufer Dürr kann am Schlusstag für Knalleffekt sorgen", hatte die Austria Presse Agentur getitelt, was sich nun auf eine andere Weise als gedacht bewahrheitet hat.

Doping stets abgelehnt

Vor seinem ersten Olympiaeinsatz hatte Dürr gegenüber dem STANDARD seine grundsätzliche Ablehnung von Doping betont: "Ich sehe mich als Teil eines neuen Werks, stehe für einen sauberen Weg. Ich wäre doch ein Depp, würde ich alles aufs Spiel setzen. Ich habe ja noch viel vor." Auch andernorts hatte er stets Stellung gegen Doping bezogen.

Die von Langlauf-Chef Markus Gandler erläuterte Aufopferung des Betreuerstabes für Hoffnungsträger Dürr ging offenbar sehr weit. Einer der Wachstechniker des Niederösterreichers habe etwa eigens Gewicht abgenommen, um auf Dürrs Masse zu kommen, damit der Athlet bei Skitests ideal simuliert werden konnte.

Gandler, zornbebend

"Die haben den Job für ihn gemacht. Sie haben sogar abgenommen, dass sie auf sein Skigewicht kommen", erzählte Gandler. Der betreffende Betreuer soll als Reaktion auf die Doping-Nachricht sogar eine Art Nervenzusammenbruch erlitten haben. In den Vormittagsstunden saß er nach ÖOC-Angaben kreidebleich im Wachscontainer. Andere Teammitglieder, wie ein erfahrener Betreuer und eine Physiotherapeutin, kämpften wie Gandler mit den Tränen.

Der 47-jährige Kitzbüheler gab nach dem Massenstartrennen zornbebend zu Protokoll, dass er nahe daran gewesen sei, die Wahrheit aus Dürr herauszuprügeln. "Das Schlimmste, was ich mir hätte erträumen können, ist passiert. Wir haben uns den Arsch aufgerissen für den Hund. Und dann wirst du so betrogen. Das ist ja nicht irgend was, das ist schwerstes Doping, das verurteilt gehört bis zum Letzten. Das sind Betrüger, aus, fertig. Da haben wir so einen Schurken, wo ich noch vor einem Tag gesagt habe: 'Ein Traumbursche.' Und was sage ich heute? Man lernt nicht aus im Leben. Betrüger gibt es."

Vorbelasteter ÖSV

Damit ist ein weiteres unrühmliches Kapitel in einer Serie von österreichischen Dopingskandalen aufgeschlagen: Die österreichischen Athleten haben in der jüngeren Vergangenheit für verschiedene derartige Zwischenfälle bei Olympia gesorgt. Bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 wurden nach der Abreise des Teams zahlreiche gebrauchte Blutbeutel gefunden. Die Langläufer Achim Walcher und Marc Mayer wurden nachträglich disqualifiziert, der Trainer Walter Mayer gesperrt.

Auch 2006 in Turin wurden im Quartier der österreichischen Mannschaft zahlreiche Utensilien für Blutdoping sichergestellt, worauf sich die Biathleten Wolfgang Rottmann und Wolfgang Perner aus Italien absetzten und Walter Mayer, der sich trotz des Ausschlusses von den Olympischen Spielen beim Team aufgehalten hatte, auf der Flucht nach Österreich einen Autounfall in Kärnten verursachte.  (Michael Vosatka/tsc/lü/APA, derStandard.at, 23.2.2014)