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Das Haus von Cornelius ­Gurlitt im Salzburger Stadtteil ­Aigen: ein Symbol für jene Kunst­werke, die in der NS-Zeit entzogen ­wurden und sich heute noch in ­teilweise ­anonymem Privatbesitz befinden.

Foto: apa/gindl

Salzburg – Der Anblick des Hauses ist ein trostloser, Flechten und Moose bewuchern das Dach, der Fassadenanstrich wurde Jahrzehnte nicht erneuert. Nur eine Ferndiagnose, weder die erste noch die letzte in dieser Causa. Die legendäre Villa Trapp befindet sich ebenso in Gehweite wie das Schloss Aigen. Hier, am südöstlichen Zipfel der Stadt, residiert die Salzburger Bildungselite, Neureiche sucht man in diesem gediegenen Umfeld vergeblich. Am ehesten ist der Stadtteil Aigen mit den Wiener Bezirken Hietzing oder Grinzing vergleichbar.

Im Mai 1960 hatte Cornelius Gurlitt das knapp 600 Quadratmeter große Grundstück erworben, dessen Verwahrlosung von Anrainern nun moniert wird, die (vor laufenden TV-Kameras) eine Entwertung der umliegenden Liegenschaften befürchten. Oft, sagen sie, habe man den Bewohner ja nicht zu Gesicht bekommen. Bis 2011 soll Gurlitt hier jedenfalls gewohnt haben. Am Mittwoch vorvergangener Woche lud eine Entsorgungsfirma Container ab, anderntags wurde geräumt.

Experten sondieren

Im Auftrag eines Anwalts von Gurlitt und auf Wunsch des 81-Jährigen übrigens. Knapp zwei Jahre nachdem die Augsburger Staatsanwaltschaft in dessen Münchener Wohnung rund 1400 Gegenstände (1280 Kunstwerke) beschlagnahmt hatte, sondierten nun Experten sein österreichisches „Depot". 60 Kunstwerke wurden abtransportiert und vor dem Zugriff – von Kriminellen oder wem auch immer – in Sicherheit gebracht: darunter „Herausragendes", wie sein Anwalt Hannes Hartung im Gespräch mit Medien bekräftigt: „Von Pissarro eine wunderbare Seine-Szene, von Monet ein wunderbares Brückenbild, von Manet ein Segelboot-Meer-Bild", anderes von Renoir, Corot oder Courbet, und den Liebermann nicht zu vergessen.

Alles in allem „von noch größerer Bedeutung als das Konvolut von Schwabing". Ob solcher Kaliber der Kunstgeschichte war ferndiagnostisch schnell von Millionenwerten die Rede. Nach einem ersten Abgleich mit internationalen Fahndungslisten, so Hartung, sei wahrscheinlich keine Raubkunst darunter. Eine womöglich voreilige Einschätzung, denn gelistet kann nur sein, was irgendwann auch explizit als Verlust gemeldet wurde. Einerlei, damit werden sich nun Provenienzforscher beschäftigen.

Nicht minder voreilig wurde in einem österreichischen Wochenmagazin über die Errichtung eines Sammlermuseums spekuliert und entsprechende Quartiere evaluiert ("News", 08/14). Würde es für dieses „Gurlipold"-Museum vom Bund oder dem Land Salzburg auch ein Ankaufsbudget geben? Denn rechtmäßige Eigentümer können nicht enteignet werden, selbst wenn sie im Besitz von entzogenem Kulturgut sind.

Unklare Besitzverhältnisse

Wie viele solcher Kunstwerke heute in weltweit verstreutem Privatbesitz sind, weiß niemand. Die meisten kennen die problematische Vergangenheit ihrer Exponate nicht. Damit konfrontiert, beharren manche auf den gutgläubigen und damit rechtmäßigen Erwerb. Jene, die aus moralischen Gründen den Konsens suchen, sind eine Minderheit geblieben. Diese Gurlitts leben unter uns, vielleicht nicht immer in direkter Nachbarschaft. Als Ucicky, Nimmerrichter, Leopold oder auch Müller tragen sie bloß andere Namen und überantworten ihre Schützlinge Privatstiftungen oder vererben sie ihren Nachfahren. Ob es sich dabei um ein einzelnes Kunstwerk oder eine Sammlung handelt, ist völlig unerheblich.

Als Private haben sie immerhin die Wahl: wie Cornelius Gurlitt irgendwann am öffentlichen Pranger zu stehen oder sich dem Problem kontrolliert zu stellen. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 24.2.2014)