Das neu entdeckte Riesenvirus in einer infizierten Acanthamöbe, die als Köder fungierte. Damit gelang es Forschern, das uralte Virus wieder zum Leben zu erwecken.

Foto: : Julia Bartoli/Chantal Abergel, IGS/CNRS-AMU

Paris/Wien - Sie sind in fast allen Lebensräumen der Erde zu finden und gelten dabei nicht einmal als Lebewesen: Viren, die erst seit dem späten 19. Jahrhundert als eigene biologische Einheit bekannt sind, sind ein Erfolgsmodell der Evolution und geben der Wissenschaft nach wie vor jede Menge Rätsel auf.

So ist bis heute umstritten, wie die Viren entstanden sind: Waren sie Vorläufer des zellulären Lebens, oder doch eher ehemalige Gene von Lebewesen, die sich im Laufe der Zeit verselbstständigten? Auch ihr Status als Nicht-Lebewesen ist mittlerweile umstritten: Zwar besitzen sie weder eine eigenständige Replikation noch einen eigenen Stoffwechsel. Doch mittlerweile wurden Viren entdeckt, deren Größe wie auch die ihres Genoms jene von Bakterien übertrifft.

Ein erstes Megavirus war vor rund zehn Jahren in einem Kühlturm im englischen Bradford entdeckt worden: Forscher hatten damals eigentlich nach krankmachenden Bakterien gesucht. Was sie fanden, sah auf den ersten Blick auch so aus: Die rundlichen Objekte entsprachen mit rund 0,7 Mikrometern Größe (0,0007 Millimeter) in etwa auch der eines kleinen Bakteriums.

Bei näherer Untersuchung jedoch stellte sich heraus, dass es sich um ein Virus handelte - das größte, das man bis dahin kannte. Vor einem Jahr warteten französische Forscher um Nadège Philippe mit einer weiteren viralen Riesenüberrschung auf: Sie berichteten im Fachblatt "Science" von der Entdeckung einer neuen Megavirengattung, die sie Pandoraviren tauften. Gefunden hatten sie die Riesen, die Bakterien locker übertrafen, zum einen im Sediment einer Flussmündung in Chile und zum anderen im Schlamm eines Tümpels nahe der australischen Stadt Melbourne.

Wie es scheint, hat die Suche nach Riesenviren gerade erst begonnen. Denn jene französische Forschergruppe, die schon bei der Entdeckung der Pandoraviren eine entscheidende Rolle spielte, hat nun gar 30.000 Jahre alte, bisher unbekannte Riesenviren aus dem sibirischen Permafrostboden zum Leben erweckt. Das neue, 1,5 Mikrometer (0,0015 Millimeter) lange Pithovirus bilde neben den Mega- und den Pandoraviren eine neue dritte Gattung, schreiben die Wissenschafter um Mathieu Legendre im Fachblatt "PNAS".

Das französische Team hatte Proben des Permafrostbodens aufgetaut und dann im Labor mit sogenannten Acanthamöben zusammengebracht. Die Amöben dienten dabei gleichsam als Köder, um den Viren eine Möglichkeit zu geben, sich wieder zu vermehren.

Angesichts der Größe des Virus waren die Forscher von der geringen Zahl der im Erbgut codierten Proteine überrascht: Das Virus scheint gerade einmal 467 Proteine zu bilden. Das Genom der Pandoraviren hingegen codiert bis zu 2500 Proteine.

Die Forscher lassen aber auch mit einer Warnung aufhorchen: Das Auftauen des Permafrostbodens in der Arktis könnten weitere unbekannte Viren freisetzen, die gefährlich werden könnten. Und: Die Jagd danach habe gerade erst begonnen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 4.3.2014)