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Der Tränenfilm hat vielfältige Aufgaben: Er schützt das Auge vor Fremdkörpern und Infektionen, bewahrt es vor dem Austrocknen und versorgt die Hornhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen.

Foto: AP/JULIE JACOBSON

Warum der Mensch weint, ist für die Wissenschaft noch immer ein Rätsel. Als gesichert gilt, dass Tränen ein sichtbares Zeichen von Trauer und Schmerz sind, aber auch der feucht-fröhliche Ausdruck für positive Emotionen.

Weinen habe eine kathartische Wirkung, diene dem Abbau von Stress oder stärke die Immunabwehr, so die gängigsten Thesen. Eindeutige empirischen Belege dazu sind jedoch bislang ausständig. Relativ plausibel klingt zumindest jene Theorie, die dem Vergießen von Tränen eine überlebensnotwendige Funktion beimisst. - Zumindest für Neugeborene und Säuglinge, die ab der dritten Lebenswoche so ihren Bedürfnissen zusätzlich nonverbalen Nachdruck verleihen können.

Die Tränenflüssigkeit - oder besser gesagt der Tränenfilm, der sich primär aus Wasser, Kochsalz, Proteinen wie etwa dem antibakteriell wirksamen Lysozym und Lipocalin sowie Glucose zusammensetzt - hat in der Regel aber weit weniger plakative, wenn auch nicht minder relevante Funktionen: Er schützt das Auge vor Fremdkörpern und Infektionen, bewahrt es vor dem Austrocknen und versorgt die Hornhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen, da diese selbst keine Blutgefäße besitzt.

Grob gesprochen sind es drei Schichten, die hier unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Eine äußere fetthaltige Schicht, die das Verdunsten verhindert, eine wässrige Phase - also die eigentliche Tränenflüssigkeit - und eine innere schleimige Mucinschicht, welche die flüssige Phase mit den Zellen verbindet und dafür sorgt, dass sich das Tränensekret gleichmäßig über das Auge verteilt.

Volkskrankheit: "Trockenes Auge"

Zusammensetzung und Menge der Tränenflüssigkeit verändern sich mit zunehmendem Alter, wodurch Augenerkrankungen verstärkt Tür und Tor geöffnet werden. Ab dem mittleren Lebensalter leiden Erwachsene besonders häufig am Sicca-Syndrom - umgangssprachlich auch "Trockenes Auge" genannt. Laut Schätzungen von Experten ist etwa jeder Fünfte der Generation 50 plus davon betroffen. "Ausschlaggebend ist aber nicht nur die Menge, sondern vor allem die Qualität der Tränenflüssigkeit. Denn wie lange ein Auge feucht bleibt, ist davon abhängig wie der Tränenfilm aufgebaut ist", erklärt Gerald Schmidinger von der Wiener Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie. So reduzieren beispielsweise hormonelle Veränderungen wie etwa die verminderte Produktion von Testosteron, aber auch Schilddrüsenerkrankungen und Zigarettenrauch die Qualität unserer Tränen.

Nicht selten rührt das Gefühl als wäre einem Sand in die Augen gestreut worden daher, dass wir uns zunehmend in klimatisierten Räumen aufhalten. Schmidinger sieht das als eine mögliche Ausprägung des "Sick-Building-Syndroms". Außerdem trage die zunehmende Bildschirmarbeit dazu bei, dass unsere Augen im wahrsten Sinne trocken bleiben. "Normalerweise macht ein Mensch etwa zwölf Lidschläge pro Minute. Wenn wir konzentriert vor dem Bildschirm arbeiten, sinkt diese Frequenz rapide ab, der Tränenfilm reißt und das Auge erhält zu wenig Flüssigkeit", so der Mediziner.

Produktdschungel

Schmidinger weist darauf hin, dass ein brennendes Gefühl in den Augen nicht unbedingt durch das klassische Sicca-Syndrom ausgelöst wird: "Mitunter leidet ein Betroffener auch an Blepharitis - einer Lidranderkrankung, die zu chronischen Entzündungen führen kann".

Bei länger anhaltenden Symptomen rät der Experte zu einer grundsätzlichen Differentialdiagnose, bei der abgeklärt wird, ob es sich um ein "Sicca", ein lidrandentzündungskombiniertes Problem oder eine Schilddrüsenerkrankung handelt. "Wer nur ab und an das Gefühl von trockenen Augen hat, kann sich zunächst einmal mit einem dünnflüssigen Tränenersatzmittel behelfen. Die Augentropfen sollten aber möglichst frei von Konservierungsmittel sein, da diese wiederum die Oberfläche des Auges schaden können", betont Schmidinger.

Weitaus schwieriger dürfte es für die Konsumenten sein, aus der Vielzahl der Präparate das geeignete herauszufiltern. "Das ist natürlich ein gutes Geschäftsfeld, in das die Pharma-Firmen gerne einsteigen", so der Mediziner. Der Patient sollte deshalb wissen, was in den Produkten enthalten ist. Denn davon ist abhängig "ob das Präparat mehr die ölige Phase oder die wässrige Phase kompensiert", erläutert der Experte. In vielen Fällen dürfte daher der direkte Weg zum Augenarzt wohl die einfachere Lösung sein. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 5.3.2014)