Die in Süd- und Mittelamerika beheimatete Raubwanze, auch Kissing Bug genannt, kann mit ihrem Stich Krankheiten übertragen. Forscher der Uni Wien haben sich mit Elektroden auf die Suche nach Infrarotdetektoren in ihren Antennen gemacht.

Foto: Lydia M. Zopf

Wien - Noch vor 15 bis 20 Jahren galten Bettwanzen in Mitteleuropa als fast ausgerottet, heute sind sie im Zuge des intensiven Tourismus wieder auf dem Vormarsch. Zugegebenermaßen keine besonders angenehme Vorstellung, aber zumindest sind sie nur ein paar Millimeter groß und übertragen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Krankheiten.

Von den in Süd- und Mittelamerika beheimateten Raubwanzen der Familie Triatominae lässt sich das leider nicht behaupten: Viele ihrer Vertreter erreichen bis zu 3,5 Zentimeter Körperlänge und sind die wichtigsten Verbreiter der Chagas-Krankheit.

Die Wanzen saugten ursprünglich nur an Tieren, haben sich aber - wahrscheinlich über den Umweg von Haustieren - mittlerweile auch auf den Menschen als Blutspender eingestellt. Manche Populationen leben sogar ausschließlich in menschlichen Behausungen. In aus Lehm gebauten und mit Stroh gedeckten Hütten finden sie jede Menge Ritzen und Spalten, in denen sie tagsüber bewegungslos verharren. Erst mit Einbruch der Dunkelheit gehen sie auf Nahrungssuche.

Bevorzugt stechen sie ins Gesicht, was ihnen im Englischen den Beinamen Kissing Bug eingetragen hat. Dabei setzen sie gleichzeitig Kot ab, der in Augen, Mund oder Hautrisse gelangt, wenn der befallene Mensch sich an der Stelle kratzt. Das Problem ist, dass die Wanzen in sehr vielen Fällen selbst Wirte eines Parasiten sind, und zwar des Einzellers Trypanosoma cruzi, der die Chagas-Krankheit auslöst.

Der Erreger der durch Tsetse-Fliegen übertragenen afrikanischen Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei, ist ein Verwandter davon. Laut Schätzungen der WHO sind derzeit sieben bis acht Millionen Menschen weltweit mit Chagas infiziert, die meisten davon in Südamerika. Rund ein Viertel der Bevölkerung Lateinamerikas ist potenziell gefährdet, in den vergangenen Jahrzehnten wurde die Krankheit aber auch immer häufiger in den USA, Kanada und Europa nachgewiesen.

Sie verläuft in zwei Stadien: Zunächst ist sie oft symptomlos, es kann aber auch zu Fieber, Kopf-, Muskel-, Brust- und Bauchschmerzen sowie Atembeschwerden kommen. Nach zwei Monaten haben sich die parasitischen Einzeller dauerhaft in Herz- und Darmmuskeln eingenistet, und es beginnt die chronische Phase: Bis zu 30 Prozent der Betroffenen leiden unter Herzbeschwerden und bis zu zehn Prozent an Verdauungs- oder Nervenproblemen. Im Lauf der Jahre kann die Infektion zu Herzversagen führen.

In einem Labor der Universität Wien werden nun 1,5 Zentimeter große und keimfreie Exemplare der Wanzenart Rhodnius prolixus gehalten, die zu den häufigsten Chagas-Überträgern zählt. Harald Tichy vom Department für Neurobiologie und seine Doktorandin Lydia M. Zopf untersuchen mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF, wie die Blutsauger ihre Wirte finden.

Wärme weist den Weg

Bekannt war bereits, dass sie dabei drei verschiedene Informationsquellen nutzen, nämlich den Körpergeruch des Wirts, Kohlendioxid der Atemluft und die von Warmblütern ausgehende Wärme- oder Infrarotstrahlung. Während Körpergeruch und Kohlendioxid Richtungsänderungen durch die Luft unterliegen, denen die Wanze folgen muss, um zum Wirt zu gelangen, weisen IR-Strahlen einen geraden Weg - ähnlich wie Lichtstrahlen zu ihrer Quelle.

Diese Raubwanzen sind die einzigen blutsaugenden Insekten, bei denen experimentell belegt werden konnte, dass sie IR-Strahlung wahrnehmen und von warmer Luft unterscheiden können. Wie sie das machen, war aber bisher ungeklärt. Im Raum stand die Vermutung, dass sie dafür ein eigenes Infrarotsinnesorgan besitzen.

Rezeptoren, die wie Augen funktionieren, kommen dafür jedoch nicht infrage: "Infrarotstrahlung hat zu wenig Energie, um eine Reaktion wie Lichtstrahlen an den Fotorezeptoren der Netzhaut auszulösen", erklärt Tichy, "sie bewirkt in der Haut ähnlich wie beim Reiben der Hände eine Bewegungsenergie auf molekularer Ebene, die wir als Wärme wahrnehmen." Entscheidend für die Effizienz dieser Art der Wahrnehmung ist allerdings ein großes rezeptives Feld, "aber dafür ist auf den sehr dünnen Antennen der Wanzen zu wenig Platz", wie Tichy betont.

Das kann auch Lydia M. Zopf bestätigen: Sie besitzt die nötige Fingerfertigkeit, Elektroden in die winzigen Sinnesorgane auf der Oberfläche der 0,25 Millimeter dünnen Antennen der Tiere zu stechen. Mit elektrophysiologischen Methoden hat sie untersucht, ob sich unter den verschiedenen Sinnesorganen Infrarotdetektoren befinden.

Kombi von Sinneszellen

Dabei fand sie in zäpfchenartigen Strukturen, die sich in Gruben befinden, und in speziellen Härchen Sinneszellen, die auf Infrarotstrahlen reagieren, aber auch auf warme Luft. Doch wie unterscheiden die Wanzen, ob der Reiz von einem potenziellen Wirt stammt oder buchstäblich nur heiße Luft ist? "Ein einziges Sinnesorgan kann IR-Strahlung nicht von warmer Luft unterscheiden", gibt Tichy zu bedenken. "Die einfachste Möglichkeit wäre, wenn es für jeden der beiden Reize einen eigenen Rezeptor gäbe, aber so ist es nicht. Alle zwei reagieren gleichzeitig auf beide Reize, allerdings unterschiedlich stark."

Das Erfolgsgeheimnis der Wanzen liegt allem Anschein nach in der Verknüpfung: "Die Signale der beiden Sinnesorgane werden im Gehirn offenbar so verrechnet, dass der Unterschied in den Erregungsstärken eindeutig aussagt, ob es sich um ein Infrarotsignal oder warme Luft handelt. Das ist wie beim Farbensehen", erläutert Tichy, "mit drei Farbrezeptoren werden mehr als nur drei Farben unterschieden."

So können die Wanzen das Infrarotsignal, das etwa von einer menschlichen Hand ausgeht, aus einer Entfernung von 20 Zentimetern erkennen. Sind sie dort erst einmal angekommen, lassen sie sich von ihren Rezeptoren auch zur besten Einstichstelle leiten: Immerhin kann zwischen einer Vene und der umgebenden Haut ein Temperaturunterschied von bis zu einem Grad Celsius herrschen.

"Es gibt keine speziellen Infrarotrezeptoren", ist Tichy überzeugt, "die Sinnesorgane, die auf Erwärmung reagieren, sind die Thermorezeptoren." Das gilt auch für die Grubenorgane mancher Schlangen wie der Klapperschlange - es sind schlicht Temperaturfühler. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 19.3.2014)