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Die umstrittene Szene: Eine Giraffe im Kopenhager Zoo wurde im Februar geschlachtet und an Löwen verfüttert

Foto: ap/Pedersen Rasmus Flindt

Übersiedlung statt Bolzenschussgerät: Daniela Artmann vom Zoo Schmiding bei Wels sieht in europäischen Zoos keinen Grund für eine Tötung aus Platz- oder wissenschaftlichen Gründen.

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STANDARD: Laut österreichischem Tierschutzgesetz ist es verboten, Tiere "ohne vernünftigen Grund" zu töten. Im Zoo von Kopenhagen hat man das Lebensende im Löwengehege mit "Platzmangel" gerechtfertigt. Für Sie ein vernünftiger Grund, um zwei erwachsene und zwei Jungtiere zu töten?

Artmann: Nein, ich glaube, es würde hier Möglichkeiten geben, die Tiere in anderen Zoos unterzubringen - notfalls auch außerhalb von Zuchtprogrammen.

STANDARD: In Kopenhagen hat man sich aber anders entschieden - und mit der Tötung einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Können Sie die Aufregung verstehen?

Artmann: Auf jeden Fall. Auch für mich als Zoologin ist diese Vorgangsweise völlig unverständlich.

STANDARD: Zumindest der Exodus im Giraffenhaus war offensichtlich "wissenschaftlich" begründet - genetische Vielfalt der Population, Generationswechsel, Inzuchtgefahr. Wie problematisch ist eigentlich die Zoohaltung generell?

Artmann: Die Arterhaltungszucht in den Zoos ist für viele Arten die einzige Chance zu überleben. Um eine genetisch fitte und gesunde Population erhalten zu können, ist es wichtig, Tiere unter Berücksichtigung ihres genetischen Potenzials zu verpaaren. Es gibt daher Tiere, die für die Arterhaltung keine Bedeutung mehr haben. Für diese Tiere soll eine passende Unterbringungsmöglichkeit außerhalb der Zuchtprogramme erfolgen, wo sie ihr Leben unabhängig vom Beitrag für die Arterhaltung verbringen können.

STANDARD: Ist genug Platz in den Zoos für die, aus Sicht der Artenerhaltung, "bedeutungslosen" Tiere?

Artmann: Es ist nicht leicht, aber man muss sich darum bemühen.

STANDARD: Der Zoo Schmiding ist Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes (EEPs) - wie geht man auf europäischer Ebene mit den Problemfeldern in den Tiergärten um, gibt es alternative Lösungsansätze zum Gnadenschuss im Namen der Wissenschaft?

Artmann: Dieses Thema wird auf europäischer Ebene intensiv diskutiert. Es gibt hier unterschiedliche Meinungen zwischen den Zoovertretern, abhängig davon, aus welchen Ländern sie stammen. Meiner Meinung nach gibt es alternative Lösungsansätze. Etwa dass die Haltung von Tieren, die für die Arterhaltung keine Bedeutung mehr haben, in Zoos außerhalb der EEP-Programme erfolgen soll. Diese Tiere leisten dann zwar keinen Beitrag mehr zur Arterhaltung, können den Menschen aber der Bildung dienen und Freude bereiten.

STANDARD: Werden solche Tötungen in jedem Zoo so praktiziert, oder ist da Kopenhagen eine Ausnahme?

Artmann: Kopenhagen ist da sicher eine Ausnahme. Wir und viele andere Zoos würden das nicht so praktizieren.

STANDARD: Was macht man im Zoo Schmiding mit Tieren, die sterben oder getötet werden müssen?

Artmann: Alte oder kranke Tiere werden obduziert, dann aber nicht verfüttert. Ansonsten stellt sich die Frage bei uns nicht: Wir haben bisher noch nie ein Problem mit der Platzierung nachgezüchteter Tiere gehabt.

STANDARD: Erschreckt hat viele auch der offene Umgang des Zoos in Kopenhagen: "Marius", die Giraffe, wurde etwa vor Publikum in löwengerechte Teile zerlegt. Muss der Zoo immer nur die heile Tierwelt sein, oder sollte man den Besuchern mehr zumuten?

Artmann: Hier muss man Mentalitätsunterschiede zwischen den Ländern beachten. Man muss wissen, dass man etwa in Dänemark und weiteren nordischen Ländern mit dem Töten von Tieren, auch in Zoos, viel freizügiger umgeht als in anderen Ländern Europas und dies seit vielen Jahren so praktiziert. Aus meiner Sicht soll das Schlachten eines Tieres keine öffentliche Show sein. Da braucht es kein Publikum. Außerdem ist die Bevölkerung in Österreich wesentlich sensibler, und dem muss man auch Rechnung tragen.

STANDARD: Aus Tierschutzgründen wird immer wieder das Ende der Zoohaltung gefordert: Was wären die Folgen, was erwidern Sie dem?

Artmann: Zahlreiche wunderschöne Arten würden aussterben. Bis jetzt sind - oder waren - bereits etwas über 50 Tierarten in der Natur ausgestorben, haben aber in Menschenobhut überlebt. In den meisten Fällen trugen Zoos wesentlich zum Überleben bei. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 31.3.2014)