Stimmt es, dass Kühe wie schwerer Rotwein mit den Jahren immer besser werden, wenn man sie nur richtig behandelt? Kann man auch alte Milchkühe mit Genuss verspeisen? Warum reift man Rind, aber nicht Schwein, wochenlang? Und was passiert, wenn man die Sau ebenfalls lange abhängen lässt? Diese Fragen treiben mich schon länger um, und als ich vor ein paar Monaten etwas Zeit mit dem großen Fleischermeister Hödl im Auto verbrachte, hat dieser sich bereit erklärt, mir bei einem neuen Anlauf zu ihrer Beantwortung zu helfen.

Er hat mir Rostbraten und Beirid einer acht Jahre alten Milchkuh (Fleckvieh) besorgt, und während ich in Indien war, sieben Wochen im Rindertalg eingegossen reifen lassen (schon ausgelöst, daher kam Trockenreifung nicht in Frage). Er hat das Fleisch komplett bedeckt und nur alle vier, fünf Tage den Saft, der sich unten gesammelt hat, abgegossen.

Symbolbild: So oder so ähnlich sah das Fleisch während des Reifens aus.


Foto: Tobias Müller

Genauso ist er mit dem Karree eines zwei Jahre alten Schweins (für ein Schwein leider ein biblisches Alter, die werden sonst so drei Monate alt) verfahren. Vorweg: die Kuh war großartig.

Fleischtheorie nach Harold McGee

Nur ein erfülltes Leben füllt Fleisch mit Geschmack, schreibt Harold McGee. Rote, stark und oft benutzte Muskelfasern enthalten mehr potentiell wohlschmeckende Stoffe als helle, selten benutzte. Deswegen schmeckt das dunkle Fleisch des Hühnerbeins so gut und die helle Brust so gähnend langweilig, und ein Rind generell nach mehr als ein Truthahn. Und für ein und das selbe Tier gilt: Je mehr Bewegung, desto mehr Geschmack in den Muskeln.

Während Muskelfasern bei allen Tieren relativ gleich schmecken – fleischig – sorgt das Fett für die gattungsspezifischen Noten. Je nach Nahrung und Verdauungstrakt werden verschiedene (Geschmacks)Stoffe aus der Nahrung hier mit eingelagert. Je älter das Tier, desto ausgeprägter ist dieser Fettgeschmack. Mitunter ist das unangenehm (Schaf), mitunter sehr erwünscht (Rind). Dass wir trotzdem hauptsächlich halbwüchsige Häftlinge verspeisen, hat einen einfachen Grund: es ist viel billiger.

Ab dem Moment, wo Stiere (die häufigsten Rindfleischlieferanten) einigermaßen ausgewachsen sind, steigern sie ihr Gewicht nur mehr unwesentlich, sie fressen aber weiter – sie nicht zu schlachten, bedeutet, dass man weiterhin Geld und Arbeit in sie investieren muss, ohne gleichzeitig mehr Fleisch heraus zu bekommen. Als wäre das nicht schlimm genug, sind alte und/oder viel bewegte Tiere deutlich zäher. Sie müssen lange reifen, bis sie kaubar werden. Das kostet den Fleischer Platz und Geld, weil das Fleisch beim Reifen an Gewicht verliert. Deswegen werden Stiere bei uns mit etwa 16 bis 18 Monaten geschlachtet, und alte Milchkühe landen zum Großteil faschiert bei McDonalds – zumindest für manche, gut gepflegte Exemplare eine ziemliche Verschwendung.

Acht Jahre alte Milchkuh, sieben Wochen im Fett gereift

Beim Auspacken der Alt-Kuh hat mich ganz kurz ein Hauch von Blauschimmelgeruch umweht, der mich an den misslungenen Versuch erinnert hat, glücklicherweise war er aber sofort verflogen. Schon optisch lagen zwischen Jung und Alt Welten: Hier sehr dunkles, mattes, stark marmoriertes Fleisch, dort eher hellrot-glänzend und wenig fett.

Foto: Tobias Müller

Ich habe einen Teil des alten Rinds 24 Stunden vor dem Verzehr in etwa zwei Finger dicke Steaks geschnitten und kräftig gesalzen.

Foto: Tobias Müller

Am nächsten Abend habe ich sie nur abgetupft und nach dieser Methode (wegen der geringen Dicke) gebraten: Die Gusseisenpfanne eine halbe Stunde auf voller Hitze vorgeheizt und dann die Steaks unter ständigem Wenden eher rare als medium gebraten. Im 60 Grad warmen Rohr durften sie dann noch einige Minuten rasten. Mit dem Vergleichssteak bin ich ganz genauso verfahren.

Foto: Tobias Müller

Ich weiß nicht, ob es Einbildung war, aber die alte Kuh hat meiner Meinung nach deutlich länger gebraucht, um zu garen – weiß wer eine Erklärung?

Foto: Tobias Müller

Geschmacklich war sie dem Jungspund jedenfalls haushoch überlegen: Kräftig, komplex, tief, etwas nussig und fleischig wie weniges, was ich bisher hatte. Wegen des intensiven Geschmacks ist das kein Essen für alle Tage, aber das sollte Fleisch sowieso nie sein. Trotz siebenwöchiger Reife war die Kuh nicht gerade butterweich, ich habe es aber gern, wenn ich mein Steak kauen muss (eins meiner liebsten Stücke ist immer noch das Onglet).

Warum man Schwein nicht sieben Wochen reifen sollte

Das Schwein wurde etwas kürzer, etwa sechs Stunden, gesalzen und dann genauso wie das Rind scharf angebraten und im Rohr fertig gegart.

Foto: Tobias Müller

Das Ergebnis war wenig überzeugend: Der Geschmack war zwar sehr intensiv, allerdings mit einem Hang zum Unangenehmen. Das Vergleichsteak – Radatz, wohl ungereiftes drei Monatsschwein – schmeckte deutlich besser und war zudem saftiger.

Ich habe mich daraufhin auf der Boku bei Frau Zunabovic erkundigt, Expertin für die Fleischreifung. Zwar kann man auch Schwein länger reifen, bei ihm laufen die enzymatischen Prozesse aber anders und schneller ab als beim Rind, zudem ist das Tier von vorn herein weniger zäh. Ein sieben Wochen gereiftes Schwein entspricht daher vielleicht einem – Hausnummer – bereits 14 Wochen gereiften Steak. Meine Sau war einfach schon drüber.

Dass alte Schweine aber generell besser schmecken als junge, weiß ich, seit ich drei Jahre altes Mangalitza von hier verkostet habe – ein Gedicht. Und das mit der richtigen Reifezeit wird auch noch. (Tobias Müller, derStandard.at, 27.04.2014)