Im Jahr 1999 war noch ein Wirtshaus im geschichtsträchtigen Haus Badgasse 29 untergebracht.

Foto: Bezirksmuseum Alsergrund

Ein Bild von Februar 2014 ...

Foto: meinbezirk.at/Bernhard Dietrich

... und dieselbe Perspektive am 6. Mai.

Foto: meinbezirk.at/Bernhard Dietrich
Foto: derStandard.at/Michael Matzenberger
Foto: derStandard.at/Michael Matzenberger
Foto: derStandard.at/Michael Matzenberger

Wien - "Sie werden gerade abgerissen", antwortet Sascha Göbel auf die Frage, wie konkret die Abbruchpläne für zwei im Kern 300 Jahre alte Häuser im Wiener Bezirk Alsergrund sind. Die "Bezirkszeitung" hatte am Samstag berichtet, dass den in den 1710er-Jahren erbauten Gebäuden noch im Mai das Ende drohen könnte. Tatsächlich begannen bereits am Montag die Abrissarbeiten, bestätigte Göbel, der Büroleiter der Bezirksvorstehung, auf Anfrage von derStandard.at.

Noch vor wenigen Tagen gaben die historischen Bauten in der Badgasse eine Ahnung, wie die Wiener Vorstadt im 18. Jahrhundert ausgesehen haben mag. Vom Ensemble, das sich im Bezirksteil Lichtental markant von den jüngeren, mehrstöckigen Nachbarn unterschied, ist am Dienstag nur noch eine Bauruine übrig.

Keine Schutzzone

Der rasche Abriss war laut Göbel möglich, weil die leerstehenden Häuser weder unter Denkmalschutz standen, noch in einer von der Stadt Wien definierten Schutzzone, durch die ein einheitliches Stadtbild gewährleistet werden soll. Der Besitzer eines Grundstücks in einer bewilligungsfreien Zone muss wie in diesem Fall lediglich drei Tage vor der geplanten Zerstörung eine Anzeige bei der Baupolizei einbringen.

Friedrich Dahm, dem Leiter des Wiener Konservatorats im Bundesdenkmalamt, ist das Gebäudeduett gut bekannt. "Wir setzen bei der Bewertung des Denkmalschutzes eine hohe Latte an. Die Häuser in der Badgasse genügten den Kritierien in ihrer baukünstlerischen Formulierung nicht", sagt Dahm.

Kein Kriterium griff

Das südlicher gelegene Haus habe nur mehr aus einem Torso bestanden, die Fassade des nördlichen wurde in den 1880er-Jahren mit größeren Fenstern ausgestattet und dabei massiv verformt, so Dahm. "Unterm Strich hatten die Häuser keinen Wert. Es gibt in Wien viel bessere erhaltene Gebäude aus derselben Zeit, die klar machen, warum diese beiden nicht besonders schützenswert waren."

Auch die beiden anderen Maßstäbe bei der Vergabe des Denkmalschutzes, der kulturelle und der geschichtliche, waren laut Dahm nicht gegeben. Diese Entscheidung ist freilich immer Ermessenssache des Sachverständigen. Das Alter eines Hauses sei dabei gar nicht so relevant, sagt Dahm und verweist auf das 1990 eröffnete und unter Schutz stehende Haas-Haus in der Innenstadt.

Der "Narrendattel"

Die beiden Gebäude in der Badgasse blickten zweifellos auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Sie stammten aus einer Zeit, in der Häuser üblicherweise noch Namen trugen – vor allem wenn sich darin Wirtshäuser befanden. "Zum Blumenstock" in der Badgasse 27 und "Bey der heiligen Anna" in der Badgasse 29 zählten dazu, der erste Grundbucheintrag datiert aus dem Jahr 1716.

Im nördlicheren der beiden Bauten schenkte im beginnenden 19. Jahrhundert der "Bierwirth" Johann Lochner aus; ihm, dem "Narrendattel" setzte Ferdinand Raimund in seinem Zauberspiel "Die gefesselte Phantasie" 1828 ein Denkmal, wie das Alsergrunder Bezirksmuseum in seinen Beiträgen zu Geschichte und Gegenwart des IX. Bezirks festhält.

Wenige Jahre des Verfalls

Vor allem wegen der oft an die Bausubstanz gehenden Kriegsschäden wurden viele dieser ein- bis zweistöckigen Häuser in den 1950er-Jahren abgetragen und durch mehrstöckige Gemeindebauten ersetzt. Nur wenige Besitzer verweigerten sich diesem "Assanierungsprogramm" und sicherten einer Handvoll Häuser eine weitere Existenz. So renovierten auch die Besitzer der Häuser in der Badgasse mit den Orientierungsnummern 27 und 29 die Bombenschäden.

Bis ins Jahr 2000 war im "Narrendattel" ein Gastgewerbe untergebracht. Die Eigentümer strichen die Fassaden der beiden Häuser dann noch einmal blau und gelb. Wenige Jahre des Leerstands und Verfalls bescherten ihnen nun ein jähes Ende.

Welches Unternehmen es ist, das mit Abriss und Neubau ein wohl lukratives Immobilienprojekt realisiert, kann Göbel nicht sagen. Eine kurzfristige Intervention zum Erhalt der Häuser war jedenfalls nicht möglich, für ein solches Veto von Gemeinde oder Bezirk müsste die Wiener Bauordnung novelliert werden. Deshalb sei es denkbar, dass auch andere der verbliebenen Gebäude aus dieser Zeit schnell aus dem Stadtbild verschwinden könnten. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 6.5.2014)