Die Krieger in "Soldat" sind nur einige wenige Pixel hoch. Trotz seines Retrolooks verfügt das Spiel über relativ realistische Physikberechnung. Mit der lässt sich auch einiges anstellen - von "Rocketjumps" mit dem Granatwerfer bis hin zu schnellem "Surfen" in er Luft mit Hilfe der Minigun.

Foto: derStandard.at/Pichler

Das Game lebt ungemein von seiner immensen Zugänglichkeit. Die Basics des Spieles sind selbst für Unerfahrene in wenigen Minuten erlernt.

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Der Zugang zum Online-Spiel ist praktisch hürdenfrei. Binnen weniger Momente kann man auf öffentlichen Servern ins Geschehen einsteigen.

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Zur Auswahl stehen eine Reihe von Spielmodi, darunter auch Klassiker wie "Capture the Flag".

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Zu meinen Werken als Mapper zählt auch die "Glowing Dawn"-Reihe, die für "Soldat"-Verhältnisse vor allem grafisch einiges zu bieten hatte.

 

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Es ist elf Jahre her, da landete auf meiner eifrigen Suche nach unterhaltsamen Gratisgames ein Spiel namens "Soldat" auf meiner Festplatte. Hohe Erwartungen hatte ich nicht, sahen die Screenshots doch selbst für damalige Verhältnisse ziemlich "retro" aus. Dazu hatte ich nach negativen Erfahrungen mit dem damals boomenden "Counter-Strike" auch nur wenig für Online-Shooter übrig.

Doch es kam anders – das Spiel sollte für über drei Jahre zu einem Fixpunkt in meinem Leben werden.

2D-Schlachten im Retro-Look

Aber was ist "Soldat" überhaupt? Hinter dem martialisch klingenden und auch martialisch gemeinten Namen verbirgt sich ein simpel gestrickter 2D-Shooter, in dem Einzelkämpfer oder Teams aus wenige Pixel hohen Kriegern mit Jetpack-Stiefeln gegeneinander in die Schlacht ziehen. Gespielt wird, je nach Spielmodus, um Abschüsse, Punkte oder die Entführung der gegnerischen Flagge in die eigene Basis. Neben den klassischen Deathmatch-Modi und "Capture Flag" gibt es auch eine Reihe von weiteren Spielarten.

Auf diversen Maps kommt ein Arsenal aus 18 Waffen zum Einsatz. 64 Karten bringt das Spiel mit, über einen eigenen – von einer Spielerin entwickelten – Editor können eigene Kampfareale entworfen werden. Entwickelt wurde das Game ursprünglich von einer Person. Der Pole Michal Marcinkowski veröffentlichte "Soldat" im Jahre 2002, als erster Meilenstein gilt die Version 1.0.5b.

Video: Soldat Gameplay (CTF)

Easy to learn, hard to master

Zurück in die, oder besser: meine, Vergangenheit. Über ein Tutorial verfügt "Soldat" nicht, dementsprechend erlernte ich die Basics im Offline-Spiel gegen notorisch dämliche Bots. Laufen, Springen, Fliegen, Schießen – selbst wer wenig mit Videospielen am Hut hat, kennt sich binnen weniger Minuten aus. Weil sich der Kampf gegen computergesteuerte Gegner schnell als ziemlich witzlos erwies, wagte ich mich nach einer halben Stunde als "grand_diablo" doch auf einen öffentlichen Server vor.

Was gegen die KI-Kontrahenten noch einfach wirkte, wurde dann sehr schnell zu einer Herausforderung. Wer sich in "Soldat" effizient fortbewegen will, muss ständig springen und fliegen. Wirklich am Boden entlang gelaufen wird selten. Auf meinem ersten Ausflug ins Multiplayer-Abenteuer wurde ich eine Stunde lang zu Kleinholz verarbeitet.

Am Anfang war ein Camper

An diesem Punkt ist es wohl Zeit für ein unter Gamern dramatisches Geständnis. Ich war ein Camper. So richtig. Da ich zu Beginn kaum mit jemandem mithalten konnte, wechselte ich die Strategie und versteckte mich bei Capture-the-Flag-Partien hinter Büschen, um vorbei eilende feindlichen Flaggenträger hinterhältig mit dem "Barret"-Snipergewehr zu erledigen. Dieses ist eine von zwei Hauptwaffen, die bei einem Treffer üblicherweise sofort töten.

Schimpf und Schande prasselten alsbald über mich herab und ab und an wurde ich von erzürnten Serveradmins einfach von der Karte geworfen. Nach zwei Tagen Versteckspiel überwand ich schließlich meine Feigheit. Das Barret blieb mir als erster gut erlernter Schießprügel erhalten.

Beginn einer "Karriere"

Alsbald konnte ich mit der Waffe so gut umgehen, dass bei einem Deathmatch auf einem öffentlichen Server der Leiter eines Clans namens "Weekend Warriors" auf mich aufmerksam wurde. Es sollte das erste von insgesamt drei Teams sein, unter deren Flagge ich in die Schlacht zog. Station 2 waren die "pro-Lamer", ehe ich schließlich bei "The Black Army" anheuerte.

Ich begann auch selbst Maps für "Soldat" zu bauen. Während ich als Spieler nie zu den Besten aufrücken konnte, etablierte ich mich nach zu Anfang mäßigen Erzeugnissen als anerkannter Kartenbauer. Eine Reihe der mit dem Spiel mitgelieferten Maps stammen aus meiner Feder, viele wurden von der Community mittlerweile weiterentwickelt. Die erste war "ctf_Maya", es folgten "Maya 2", "Lanubya" und andere Capture-The-Flag-Karten, als auch Spielplätze für "Hold The Flag" sowie die Deathmatch-Arena "Desert Wind" und die Infiltration Map "Messner".

Vom Spieler zum Community-Manager

Mein Engagement innerhalb der Community, auch als Schlichter bei Streitigkeiten, brachte mich ins Administrationsteam der internationalen Soldatforen, der einstigen deutschsprachigen "Selfkill"-Community (der Begriff spielt auf eine Taktik an, mit der man sich zu Beginn eines Spiels schnell zwei Hauptwaffen verschaffen konnte) als auch der E-Sport-Liga ESL.

Große Teile meiner Freizeit verbrachte ich nicht nur im Spiel selbst, sondern kommunizierend und organisierend in unzähligen IRC-Channels. Neben den üblichen Offtopic-Gesprächen wurde über Themen diskutiert, die wohl in jeder Spielergemeinschaft umfassend abgearbeitet werden: Welche Maps sind gut? Was tun gegen Cheater? Warum ist Waffe XY so übertrieben mächtig?

Vor allem die Diskussion rund um die Balance der Waffen wurde sehr ausführlich, leidenschaftlich und manchmal auch verbittert geführt. Wechselweise wurden für die Benutzer der gerade scheinbar stärksten Waffe begriffe wie "Barretard" eingeführt und wieder verworfen.

Lauf des Lebens

Der Beginn meines Studiums nebst Wohnortwechsel leitete das Ende meiner aktiven Spielerkarriere und ein neues Kapitel in meinem Leben ein. Schon zu Maturazeiten gab ich viele meiner Agenden ab, weil einfach die Zeit dafür fehlte. Hinzu kam nun auch, dass mein Studentenheim (neben unzureichenden Kühlmöglichkeiten für die Nahrungsmittellagerung) damals eine kaum benutzbare Internetverbindung bot, mit der an Online-Gaming nicht zu denken war.

Der Uni-Alltag holte mich ein und selbst an den Wochenenden in meiner alten Heimat suchte ich die "Soldat"-Server immer seltener auf. Dem Spiel bin ich trotzdem treu geblieben und alle paar Monate drehe ich dann doch wieder ein paar Runden. Ein "echtes" Comeback wird es nicht geben.

Dauerbrenner

Interessant ist, dass dieses Indiegame, das immerhin fast so alt ist wie das mittlerweile von Microsoft nicht mehr unterstützte Betriebssystem Windows XP, immer noch eine aktive Community hat. Diese hat sich in ihrem Wesen kaum verändert, ist aber längst nicht mehr so groß, wie sie einst war. Zu Hochzeiten waren über 1.000 Server online, von denen rund 200 parallel bespielt wurden. Heute sind es je nach Tageszeit vielleicht 20 bis 40.

Einige der alten IRC-Kanäle sind immer noch in Betrieb. Ab und an stoße ich auf Veteranen von damals, die sich ebenfalls nie ganz verabschiedet haben. Der Großteil sind allerdings neu hinzugestoßene Spieler, die mir eingerostetem "Oldie" bei "Gather"-Partien (Spieler melden sich für eine Partie auf einem privaten Server und werden von einem Skript zufällig in Teams eingeteilt) meine Grenzen aufzeigen.

Simpel und sozial

Das Erfolgsrezept, das den Shooter am Leben erhält, beruht auf mehreren Faktoren. Da wäre etwa die einfache Zugänglichkeit des Spiels. "Soldat" läuft selbst auf steinalten Rechnern und ist in seinen Grundzügen flott erlernbar. Wer online mitspielen möchte, muss sich nicht umständlich registrieren, sondern tippt einfach sein Wunsch-Pseudonym ein, gestaltet seinen Soldaten und legt los. Offiziell ist Soldat "Shareware", defacto entspricht es jedoch dem Free2Play-Prinzip.

Mit dem Kauf schaltet man allerdings nur wenige Optionen frei, die keinen Einfluss auf das Spielgeschehen haben. Von Dingen wie künstlichen Verknappungen irgendwelcher Ressourcen oder Ingame-Premiumwährungen bleibt man unbehelligt. Ein Konzept, von dem der eine oder andere Publisher vielleicht etwas lernen kann.

Der zweite Faktor ist der große Einfluss der Community. Michal Marcinkowski verfolgt die Entwicklung zwar noch mit, neue Versionen des Spiels werden aber von einer Gruppe engagierter Gamer geschrieben. Dazu kann "Soldat" umfassend gemodded werden, Serverbetreiber haben Unmengen an Optionen, das Spiel anzupassen oder per Skriptsteuerung gar eigene Spielmodi zu bauen. Damit findet sich für fast jeden Geschmack die passende Herausforderung - etwa in Form "realistischer" Einstellungen mit Sichtfeld und Fallschaden.

Video: Soldat CTF (Realistic Mode)

In Würde gealtert

Das Ende ist allerdings absehbar und dass man in drei Jahren noch einfach online drauflos spielen kann, darf man zumindest bezweifeln. Die Clan-Szene beschränkt sich auf wenige aktive Teams. Von mehreren Turnieren ist faktisch nur noch die "Soldat Capture The Flag League" (SCTFL) übrig geblieben. In der ESL wird das Spiel seit 2012 nicht mehr gespielt.

Doch "Soldat" ist in Würde gealtert und hat einen beachtlichen Lauf hingelegt, von dem viele große Hersteller mit millionenschweren Marketingbudgets nur träumen können. Es waren für mich schöne, intensive und manchmal auch schwere und traurige Zeiten, an die ich mich immer gerne erinnere.

Schicksale

Obwohl ich keinem meiner Mitspieler je persönlich begegnet bin (ein Treffen verpasste ich krankheitsbedingt), lernte ich per IRC und Voicechat eine Reihe netter und interessanter Leute kennen. Dabei wurde ich auch Zeuge mancher Schicksalschläge wie dem plötzlichen Tod von Verwandten oder dem Krebsleiden eines Teamkameraden.

Das Spiel und seine Gemeinschaft wurde manchmal auch ein Auffangbecken für Sorgen aus dem realen Leben und zu einer Möglichkeit, mit virtuellen Erfolgen reale Niederlagen eine Weile vergessen zu können. Mit einigen meiner ehemaligen Kollegen bin ich sporadisch noch über soziale Netzwerke in Kontakt. Auch sie haben ihre Spielerzeiten hinter sich gelassen. 

Weltraumschrott und Ritterspiele

Der Schöpfer von Soldat werkt seit einigen Jahren eifrig an immer neuen Projekten. Mit "Link-Dead" versuchte sich Michal Marcinkowski an einem langsameren, taktischeren 2D-Shooter, der experimentelle Titel "Station Raiders" lässt den Spieler wiederum im Weltall wertvollen Schrott sammeln. Dazwischen übte Marcinkowski auch mal scharfe Kritik an modernen Gameplay-Prinzipien.

Aktuell betreut er mit seinem Team das Spiel "King Arthur's Gold". Dem Spiel, das eine Mischung aus 2D-Action mit Rollenspielelementen und allerlei Bauoptionen in mittelalterlichem Setting ist, sind seine "soldatischen" Wurzeln durchaus anzusehen. Und das liegt nicht nur an der Retro-Grafik. (Georg Pichler, derStandard.at, 09.05.2014)

Video: Michal Marcinkowski über modernes Gameplay