Breguet Gangres. Mondph. Classique. 3137BA

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Die Erkenntnis klingt banal, stimmt aber: Hinterher ist man immer schlauer. "Hätte man ...", "wäre man ...", ließe sich mit gleicher Berechtigung sagen. Also: Hätte man in den 1970er-Jahren sein ganzes Vermögen in (natürlich die richtigen) mechanischen Armbanduhren investiert, wäre man definitiv Millionär geworden.

Die Aussage gilt selbst für die späten 1980er-Jahre. Wer bei der legendären Auktion zum 150. Jubiläum der Genfer Nobelmanufaktur Patek Philippe in großem Stil eingestiegen wäre, hätte das eingesetzte Geld bis heute problemlos vervielfachen können. Etliche hatten die richtige Eingebung, andere leider nicht.

Aber das ist bei Armbanduhren wie in anderen Sphären: Der richtige Moment offenbart sich nicht von allein. Man muss ihn riechen oder erspüren. Und man muss im Fall des Falles auch willens sein, etwas vom mehr oder minder sauer Verdienten oder Ersparten auszugeben. Logischerweise waren und sind Armbanduhren nicht jedermanns Sache. Wer statt in sie vor März 2000 sein Geld in deutsche Aktienstandardwerte investierte, konnte sich richtig freuen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte in beinahe schwindelerregende Höhe. 8064 betrug der Schlusswert am 7. März 2000. 1961 war er bei 489 gelegen. Steigerungsrate: stolze 1649 Prozent. Wohl aber auch demjenigen, welcher sich seiner Papiere rechtzeitig entledigte. Von da an ging's bergab. Anfangs eher bedächtig, dann immer schneller.

Das Investment in Armbanduhren ergibt eine andere Rechnung: Für einen goldenen Schleppzeigerchronografen von Patek Philippe, Referenz 1436, verlangte der Fachhandel 1961 exakt 1915 Deutsche Mark. Im November 2000, als der Dax bereits purzelte, hätte der glückliche Käufer dafür locker 400.000 Mark erlösen können. Steigerungsrate gut 20.000 Prozent. Der berechtigte Einwand: Dafür gab es über die Jahre aber auch keine Dividenden, zumindest keine in barer Münze, möchte man erwidern. Aber die tägliche Freude an einer wunderbaren Begleiterin am Handgelenk ist ja auch etwas wert.

Paul-Newman-Hausse

Anderes Beispiel: Die Nichtrolex "Daytona" mit dem gesuchten und mittlerweile oft gefälschten Paul-Newman-Zifferblatt lag Mitte der 1970er-Jahre fast schon wie Blei beim Konzessionär. "Keine echte Rolex", beliebten amerikanische Händler zu kommentieren, wenn es um den Hintergrund stattlicher Discounts ging. Mit 1500 Dollar war Mann seinerzeit dabei, heute sind es 30.000 Euro.

Um sachlich zu bleiben: Wertzuwächse wie diese sind die absolute Ausnahme. Somit stellt sich, wenn es um Uhr-Investment geht, immer wieder die Frage: was kaufen und was eher nicht? Am obersten Gebot gibt es nichts zu rütteln: Quarzarmbanduhren sind zwar präzise und komfortabel, taugen aber nur in den allerseltensten Fällen als Anlageobjekte.

Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft heißt Mechanik. Und selbst da heißt es unterscheiden zwischen Standardkalibern à la Eta 2892 oder Eta 7750 und Exklusiverem, also aus eigener Manufaktur Stammendem. Als Trugschluss wird sich irgendwann die Auffassung erweisen, mechanische Armbanduhren stiegen prinzipiell im Wert. Zweifellos sind sie deutlich wertstabiler als beispielsweise Gebrauchselektronik, aber auch hier gilt die Tatsache, dass bei allem, was es regulär zu kaufen gibt, in getragenem Zustand mehr oder minder starke Preisabschläge hinzunehmen sind. Wer auf limitierte Editionen setzt, sollte den Grund für die quantitative Beschränkung genau analysieren. Limitierungen ohne tieferen Sinn sind mit Vorsicht zu genießen. Hier wie überall beim Uhrenkauf führt an gründlicher Information kein Weg vorbei.

Wer aus gesicherter Position in die Zukunft blicken möchte, sollte zu echten Klassikern greifen. Gemeint sind etablierte Modelle bekannter Marken, welche, von gelegentlicher Produktoptimierung abgesehen, über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg weitgehend unverändert hergestellt werden. Das minimiert die Gefahr, Opfer jenes Zeitgeistes zu werden, der all jene schnell zu Witwern macht, welche sich mit ihm vermählen. Gewinnexplosionen sind bei derartigen Uhren ausgeschlossen. Der gleichwohl vorhandene Wertzuwachs resultiert aus der Tatsache, dass die tickenden Objekte der Begierde in schöner Regelmäßigkeit teurer werden.

Mehr als verdoppelt

Gründe dafür gibt es zuhauf: gestiegene Materialkosten, Lohnzuwächse, Inflation. Dazu Veränderungen bei den Währungsparitäten, wie der Schweizer Franken ganz aktuell sehr eindrucksvoll beweist. Die hier gezeigten Beispiele lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Zur Tatsache, dass sich die Preise für ein und dasselbe Modell zwischen 1993 und 2011 grundsätzlich mehr als verdoppelt haben, gesellt sich ein anderer, nicht zu unterschätzender Aspekt: Der Spaß- und Prestigefaktor einer signierten Uhr am Handgelenk. Selbiger ist deutlich höher zu werten, als die reine, oft sehr nüchterne Welt der Zahlen.

Mechanische Armbanduhren der feinen Art, die - iPhone und Konsorten ist's geschuldet - genau genommen niemand wirklich braucht, sind primär pure Emotion. Und solche lässt sich schwerlich pekuniär bemessen, egal ob Dollar, Euro, Franken oder Yen. Uhrenliebhaber, die passioniert aus Freude an der Sache kaufen, liegen selten ganz daneben. (Gisbert L. Brunner/Der Standard/rondo/18/11/2011)