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Insgesamt 1100 Helfer arbeiten seit Tagen an der Errichtung der Tore für "The Gates", eines der bisher ambitioniertesten Projekte des Künstlerpaares Jeanne-Claude und Christo.

Foto: REUTERS/Jeff Christensen

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Christo, 1935 als Christo Javacheff in Bulgarien geboren, verhüllte bereits 1969 in Australien Teile der Felsenküste; 1985 verkleidete er den Pont Neuf in Paris, 1991 installierte er mit "The Umbrellas" über 3000 Schirme in Kalifornien und Japan. Seit 1994 tritt er mit seiner Frau Jeanne-Claude auf. 1995 verpackten sie den Berliner Reichstag. Alle Projekte sind selbst finanziert. Öffentliche Gelder lehnen beide ab. (cia)

Foto: AP/The City of New York/ Wolfgang Volz

Am Samstag, 12.2., wird im New Yorker Central Park das Projekt "The Gates" von Jeanne-Claude und Christo eröffnet: Mit dem Duo sprach André Groenewoud.

Christo und Jeanne-Claude haben ihr Loft in den letzten Tagen in Manhattan kaum verlassen. Er fertigte im Akkord Arbeitsskizzen an und arbeitete die halbe Nacht durch, sie hielt Kontakt zu hunderten Mitarbeitern und zur Kommandozentrale im Central Park. Denn am Samstag, 12.2., soll in New York pünktlich "The Gates" starten, ein Projekt, das die beiden extrovertierten Künstler seit 1979 geplant haben: 7500 Kunststofftore säumen 16 Tage lang die Gehwege des Central Park. Das New York Magazine nannte "The Gates" das "größte Kunstwerk nach der Sphinx", die New York Post sprach hingegen von einer "selbstherrlichen Geldverschwendung". Wie eh und je polarisiert die Kunst von Christo und Jeanne-Claude.

STANDARD: Christo, Jeanne-Claude, die Installation "The Gates" ist Ihr erstes Heimspiel, Ihr erstes Projekt in der Stadt, in der Sie leben.

Christo: Dies ist das erste Kunstwerk, zu dem wir mit der U-Bahn fahren können und keinen Jetlag haben. Sehr angenehm.

STANDARD: Seit 26 Jahren haben Sie "The Gates" geplant.

Christo: Das ist eine Frage von Leidenschaft. Wenn man so lange plant, so lange Überzeugungsarbeit leisten muss, ist es natürlich sehr spannend, wenn es endlich losgeht. Zuletzt haben wir rund um die Uhr gearbeitet. Ich schlafe zwei bis drei Stunden in der Nacht, Jeanne-Claude nur zwei Stunden länger.

STANDARD: Die Stadt hat Ihnen doch jahrelang die kalte Schulter gezeigt, Ihren Antrag abgelehnt. Warum dann unbedingt New York?

Christo: Als ich Bulgarien verließ und nach abenteuerlicher Flucht in den Westen kam, war ich auf der Suche nach persönlicher und künstlerischer Freiheit. Ich kam 1958 nach Paris, habe aber schnell gemerkt, dass Paris von New York als Mekka der Kunst abgelöst worden war. So ging ich 1964 mit Jeanne-Claude nach New York. Wir kamen als illegale Einwanderer auf einem Schiff an. Als wir die Skyline von Manhattan sahen, waren wir tief beeindruckt. Die ersten drei Jahre haben wir illegal in der Stadt gelebt. New York ist unsere Heimat geworden. Wir haben der Stadt viel zu verdanken.

STANDARD: Was war der Ausgangsimpuls zu "The Gates"?

Christo: Zunächst hatten wir vor, zwei Hochhäuser zu verhüllen, bekamen aber keine Genehmigung. Dann wurde uns bewusst, dass wir etwas mit Fußgängern machen sollten. Ich bezeichne New York immer als die meistbegangene Stadt der Welt.

Jeanne-Claude: Am Anfang bin ich immer mit unserem kleinen Sohn Cyril, der heute 44 ist, im Central Park spazieren gegangen. Ich habe den Park lieben gelernt. Cyril ist auf die Felsen geklettert, und ich habe den Müll aufgeräumt, der herumlag. Mit dem Central Park verbinden Christo und ich wunderschöne Erinnerungen an unsere erste Zeit in der Stadt. Christo und ich wurden häufig gefragt, warum wir The Gates ausgerechnet im Central Park verwirklichen müssten. Ich habe stets geantwortet: "Haben Sie die Frau geheiratet, die Sie lieben, oder irgend eine andere?"

Christo: Der ursprüngliche Plan des Central Park im 19. Jahrhundert sah vor, dass Tore aus Stahl in die Mauer, die den Park umgibt, eingesetzt werden sollten. Doch die Tore wurden nie installiert. Die rechteckigen Pfeiler unserer Tore symbolisieren die Wolkenkratzer, die den Park umgeben, die Form des Central Park und das strenge Straßenmuster der Stadt. Im Kontrast dazu stehen die wehenden Tücher, die die verschlungenen Spazierwege im Park darstellen. Der Central Park ist an sich schon ein Gesamtkunstwerk.

STANDARD: Wie verbinden Sie Park, Projekt und Besucher?

Jeanne-Claude: Einer der vielen Gründe für dieses Projekt war, dass wir eine Brücke von Arm zu Reich bauen wollten. Dass alle gemeinsam dieses Kunstwerk genießen können. The Gates reichen vom armen Harlem im Norden bis zu einer der reichsten Straßen der Welt, der 59. Straße, im Süden des Parks.

STANDARD: "The Gates" kostet 21 Millionen Dollar. Wie reich sind Sie?

Jeanne-Claude: Wie schon immer finanzieren wir auch hier mit dem Verkauf von Christos Originalzeichnungen und Collagen unser Kunstprojekt. Im vergangenen Jahr haben wir Werke für 15 Millionen Dollar verkauft, darunter viele, für die früher niemand Interesse zeigte und die wir über Jahrzehnte aufbewahrt haben. Seit dem 1. Januar sind weitere vier Millionen Dollar hereingekommen. Da fehlt noch ein bisschen. – Nein, wir haben das Geld schon zusammen, keine Bange. Wir haben ja auch 2003 etwa sieben bis acht Millionen Dollar verdient und werden in diesem Jahr noch mehr verdienen. Aber mit den Einnahmen mussten natürlich auch andere Projekte finanziert werden.

STANDARD: "The Gates" ist ein Freiluftkunstwerk mitten im Winter. Hätten die Besucher im Sommer nicht mehr davon?

Christo: Der Februar ist der einzige Monat, in dem die Bäume keine Blätter tragen und die Häuser rings um den Park gut sichtbar sind. Hinzu kommt, dass der Park nicht so sehr bevölkert ist und wir in Ruhe unser Werk aufbauen konnten.

Jeanne-Claude: Wenn wir uns von Mutter Natur ein bestimmtes Wetter wünschen könnten, dann zu Beginn leichten Regen, damit sich die Stoffe glätten, ein wenig Wind, damit die Nylontücher wehen. Danach Sonnenschein – und ein bisschen Schnee wären auch nicht schlecht. Das dürfte gut aussehen. Zu viel Schnee darf's aber auch nicht sein. Den müssten wir dann wegräumen. Wir haben aber vorgesorgt: 125 Schaufeln stehen parat.

STANDARD: Warum haben Sie sich für Safran als Farbe entschieden?

Christo: Es ist eine sehr intensive Farbe, die bei unterschiedlichstem Wetter mal golden, mal gelb, mal dunkelrot erscheint. Wir mögen sie.

Jeanne-Claude: Die Farbe wird bestimmt wunderbar mit dem Silbergrau der blattlosen Äste harmonieren, da bin ich mir sicher.

STANDARD: Viele kennen Sie nur als "Verpackungskünstler". Stört Sie das?

Jeanne-Claude: Und ob! Das ist wahrlich keine Auszeichnung. Wir haben doch so viel anderes gemacht. Viele kennen uns einfach nicht. 1975 – vor 30 Jahren! – hatten wir zuletzt die Idee, etwas zu verpacken. Das war der Pont Neuf, die älteste Brücke in Paris. Das Projekt realisierten wir 1985. Den Reichstag in Berlin haben wir zwar 1995 verhüllt, die Idee dazu hatten wir aber schon 1971. Seit zehn Jahren haben wir nichts mehr verhüllt, und seit 30 Jahren haben wir nicht mehr vor, etwas zu verhüllen.

STANDARD: Denken Sie manchmal daran, künstlerisch "in Rente zu gehen", aufzuhören?

Christo: Künstler können sich nicht zur Ruhe setzen. Sie können nur sterben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.2.2005)