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Jean-Claude Juncker war in seiner ganzen politischen Laufbahn fast immer der Jungstar. Der "Junior", wie der deutsche Kanzler Helmut Kohl seinen Kollegen aus dem kleinen Luxemburg bei EU-Gipfeln in den 1990er-Jahren liebevoll wie anerkennend nannte, trat bereits 1982 als Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit in die Regierung seines Landes ein.

Da war er gerade 27 Jahre alt. Der Sohn eines Werkspolizisten in der Montanindustrie hatte Rechtswissenschaft in Straßburg studiert, wurde Anwalt. Aber seine wahre Leidenschaft war eigentlich immer die Politik. Vielsprachig, weil von klein auf so erzogen, reiste er als Jugendfunktionär seiner christlich-sozialen Partei (CSV) durch Europa, knüpfte Netzwerke. Zwischendurch war er Abgeordneter.

Als Juncker 1989 dann mit knapp 35 zum Arbeits- und Finanzminister aufstieg, war er schon ein politischer Routinier nicht nur der heimischen, sondern auch der europäischen Politik.

Vor allem saß er ab diesem europäischen Wendejahr mit den mächtigsten Politikern des Kontinents mit an den Verhandlungstischen, auf denen die europäische Einigung gemacht wurde: von der deutschen Wiedervereinigung bis zum EU-Vertrag von Maastricht 1992, der die Schaffung einer EU-Währungsunion zum Ziel hatte. Juncker war als Vermittler, der fließend Deutsch, Französisch und Englisch spricht, fast immer dabei, vor allem wenn es darum ging, die deutsch-französischen Konflikte auszugleichen. Sein "Meisterstück" war, den Streit zwischen Kohl und Frankreichs Präsident Jacques Chirac um den Eurostabilitätspakt beizulegen zu helfen.

Das hat ihn zu einer legendären Figur des Ausgleichs gemacht. Seit damals hat er bis zu seiner Abwahl als luxemburgischer Premierminister im vergangenen Oktober nach 19 Jahren in diesem Amt eigentlich durchgehend eine Schlüsselrolle in der Union gespielt - so auch als Chef der Eurogruppe ab 2005 bis 2013.

Die Abwahl als Premier trotz eines Wahlsieges habe ihn geschmerzt, bekannte Juncker vor kurzem in einem Standard-Gespräch. Aber nur kurz. Er freute sich auf ein Leben "in Freiheit". Er liest sehr gerne. Aber Europas Christdemokraten brauchten einen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, die er gewonnen hat. Nun ist er Favorit für das Amt des nächsten EU-Kommissionspräsidenten. Erstmals träte er ein Amt in reifem Alter an, was er gerne täte, denn: "Ich stehe bei Europa in der Pflicht, das ist für mich eine Herzensangelegenheit." (Thomas Mayer, DER STANDARD, 26.5.2014)