Künstlername und geforderter Preis: Aus der Sicht des Kunsthandels auf das Wesentliche reduziert. Kerstin von Gabain adelte ein solches Autograf zum Kunstwerk ("Alte Knacker", 2012).

Foto: K. v. Gabain

Es ist eine Episode, die Lillemor und Johan Franzen (Namen geändert) unvergesslich bleiben wird. An einem Donnerstag Ende Mai oder auch Anfang Juni 2011 hatte ihnen Karlheinz Essl in seinem Büro im Museum eine Audienz gewährt. Das Sammlerehepaar gedachte seine Kollektion - vorwiegend Klassische Moderne, aber auch Zeitgenössisches - um das eine oder andere Kunstwerk zu ergänzen. Smalltalk stand nicht auf dem Programm, stattdessen wurde ein Referat über die unternehmerischen Erfolge serviert.

Man schritt Richtung Schreibtisch. Die Franzens hatten links und rechts des Professors Aufstellung zu nehmen, während Essl in einer Mappe zu blättern begann, aus der das Ehepaar wählen durfte. Ein Zampano und seine Bittsteller, so habe man sich gefühlt. Dass kaum eines dieser Werke Begehrlichkeiten schürte, sollte die Stimmung nicht verbessern, vielmehr drohte diese zu kippen.

Schwungvoller Kunsthandel

Also besichtigte man das Depot, und dort sei man fündig geworden. Tàpies, Lüpertz oder eine Skulptur von Tony Cragg, schildert Franzen, hätten Interesse geweckt. Nur: Essl forderte einen Entschluss innert vier Tagen und verweigerte Farbabbildungen, die das Ehepaar zur Entscheidung erbat. Die hostile Atmosphäre habe ihre Ambitionen im Keim erstickt, dabei wäre es sogar an Investmentkriterien orientiert ein passables Modell gewesen.

Der Ankaufswert des Konvoluts lag bei etwa 1,3 Millionen Euro, gemäß Collectors-Club-Usancen (siehe der Standard, 18. 4., Kunstshopping unterm Verkehrswert) war von einer Rückkaufgarantie zu 150 Prozent des eingesetzten Betrages die Rede. In diesem Fall nach Ablauf von fünf statt der üblichen zehn Jahre.

In der Causa Essl ist dieses Kapitel nur ein Nebenschauplatz, der jedoch für Betroffene relevant bleibt. Für jene, die seit 2005 Beträge in Größenordnungen von 200.000, 500.000 oder auch ein paar Millionen Euro in solche "Ensembles zeitgenössischer Kunst" investierten. Sie bangen, ob die von Essl namens der Fritz Schömer GmbH vertraglich vereinbarte Rückkaufoption überhaupt eingehalten werden kann. 2011 war die Verpflichtung nach einer Abspaltung auf die Sammlung Essl übergegangen. Ob durch diese Übernahme der Haftung auch eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, müssten Wirtschaftsprüfer beurteilen. Laut einem Finanzrechtsexperten hätten die Käufer nicht nur über den Schuldnerwechsel informiert werden, sondern diesem zustimmen müssen. Andernfalls würde Baumax haften.

Rechtlich haben die Investoren zweifelsfrei Eigentum erworben, können mit den Werken ihre Büros tapezieren oder sie verkaufen. Letzteres birgt das Risiko herber Einbußen, wie folgendes Beispiel zeigt. Eine Galerie bot die Arbeit des Künstlers Max Mustermann für 22.000 Euro an, abzüglich Museumsrabatt erwarb es Essl um 18.000 und verkaufte es zwei Monate später für 29.700 Euro (inkl. MwSt.) weiter. Dieser Essl-Aufschlag (50 Prozent, exkl. MwSt.) kann jedoch nur in Ausnahmefällen von einer parallelen Wertentwicklung abgefedert werden.

In welchem Umfang der Handel seit 2005 betrieben wurde? Involvierte vermuten einen zweistelligen Millionenbetrag. In der Bilanz (2012) der Sammlung-Essl Kunst Verwaltungs GmbH scheint diese Geschäftstätigkeit mit sechs Millionen Euro auf. Wohin flossen die Einnahmen, und wurden sie versteuert? Wussten die Galeristen, dass die Kunstwerke nicht für das Museum, sondern für einen Weiterverkauf vorgesehen waren? Antworten bleibt Karlheinz Essl schuldig, vom Standard übermittelte Fragenkataloge blieben allesamt unbeantwortet.

Privatbank vermittelte Termine

Wie das Ehepaar Franzen zu Collectors-Club-Anwärtern avancierte? Der Termin sei von einer Privatbank initiiert worden, die man nicht nennen möchte.

Standard-Recherchen zufolge handelte es sich um die Kathrein Privatbank, eine 100-Prozent-Tochter der Raiffeisen Bank International AG, die wiederum zu den größten Baumax-Gläubigern gehört. Auf Anfrage war zu erfahren, dass Kunst als Anlageform keine Veranlagungsempfehlung sei und man derlei ausschließlich auf Kundenwunsch serviciert.

Essl? Collectors Club? Das sei eine einmalige Netzwerkinitiative ihres Vorgängers Christoph Kraus (bis Ende 2012) gewesen, betont Kathrein-Chefin Susanne Höllinger. Man wisse von drei Kunden(terminen). Kraus bestätigt das im Standard-Gespräch, Essl habe ihm von dieser Option erzählt, die Klienten hätte interessieren können. Jedoch sei es weder zu Abschlüssen gekommen, noch habe es ein Provisionsabkommen gegeben. Echte Sammler, so sein Fazit, würden Ankäufe nach Neigung, nicht nach ökonomischen Prinzipien tätigen. Kunsthändler bedienen beide Kategorien. Obwohl es fast bizarr anmutet, wenn man potenziellen Käufern einen Zettel in die Hand drückt, auf dem neben dem Künstler nicht Werktitel oder Technik, sondern nur der geforderte Preis angeführt wird.

Die Künstlerin Kerstin von Gabain adelte ein solches Autograf zu einem Kunstwerk: Alte Knacker heißt die Arbeit von 2012, Flüchtigkeitsfehler ("Crag" statt "Cragg") inklusive. Hauptsache, der Preis wurde korrekt notiert. Authentisch, irgendwie. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 14./15.6.2014)