Ein Lebensmitteltechniker hat mir einmal erklärt, dass italienisches Essen deswegen allgemein so beliebt ist, weil es solch große Mengen Glutamat enthält. Ich würde hinzufügen: und weil frische Pasta so unfassbar gut ist. Wenig vermittelt ein solches Wohlgefühl wie dieser üppig-samtige Gaumenschmeichler. Und wenn er noch mit frischer Sauce aus reifen Tomaten (Glutamat!) daherkommt, ist die Welt zumindest kurzfristig schwer in Ordnung.

Frische Pasta ist, so wie frische Mayonnaise oder frischer Tofu, eines dieser wunderbaren Lebensmittel, die es nicht zu kaufen gibt. Pasta, die man im Supermarkt bekommt, und frische Nudeln sind trotz des Namens und gewisser Gemeinsamkeiten so grundverschieden wie Hase und Kaninchen. Beide, frisch und industriell gemachte Nudeln, haben ihre Berechtigung - Spaghetti sind zu Hause einfach nicht machbar. Trotzdem habe ich bei Industriepasta noch nie die Befriedigung empfunden, die frische Eiernudeln bereiten können.

Um diese zu machen, brauchen Sie entweder großes Geschick mit dem Nudelholz oder eine Pasta-Maschine (ich bin mit der sehr zufrieden). Die Investition zahlt sich aber in jedem Fall aus.

Foto: Tobias Müller

Pasta machen ist theoretisch furchtbar einfach: Es braucht dafür nichts außer Mehl und Ei. Wer sich ein wenig damit beschäftigt, stößt aber auf viele Fragen: Welches Mehl? Wie viel Eier? Ganze Eier oder nur das Gelb? Wie lange kneten? Wie lange rasten? Und gibt es außer den beiden Grundzutaten noch andere, die Pasta vielleicht noch besser machen? Ich habe versucht, an einem verregneten Sommernachmittag ein paar dieser Fragen zu beantworten.

Mehl

Wie auch bei der Pizza gilt vielen die italienische Doppelnull als der Goldstandard fürs Pastamehl. Leider sind Mehlkennzeichnungen in fast jedem Land verschieden: "00" steht in Italien für den feinsten Mahlgrad, der die Pasta besonders geschmeidig machen soll. In Österreich bezeichnet "glattes" Mehl feineren Staub (Näheres hier), griffig steht für eine gröbere Körnung. So fein wie "00" ist allerdings, soweit ich weiß, nicht zu bekommen.

Ich habe zu Testzwecken einmal Nudeln mit glattem, einmal mit griffigem Weizenmehl gemacht. Der Unterschied war, wenn überhaupt merkbar, minimal - vor allem im Vergleich zu den Auswirkungen anderer Faktoren. Nehmen Sie einfach das Mehl, das Sie zur Hand haben und sorgen sich um andere Dinge.

Pasta aus Gries und Weizenmehl - rau, aber gut
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Während Marcella Hazan und der Silberlöffel auf nur eine Art Mehl - sehr feines - setzen, nimmt die verehrte Felicity Cloake auch einen gewissen Anteil an Gries für ihr Rezept. Gries ist einfach sehr grob gemahlener Weizen. Teig mit Gries ist merkbar härter und daher mühsamer zu kneten als solcher aus reinem Weizenmehl. Weil er aber beim Ausrollen ledrig-fest wird, wird diese Mühe mit einer sehr leichten Endverarbeitung belohnt. Das Ergebnis ist ebenfalls fester als reine Weizennudeln und hat eine leicht raue Oberfläche, ist aber trotzdem erstaunlich geschmeidig - insgesamt ideal für deftigere Pastasaucen wie etwa Bolognese oder Arrabiata. Das Rezept dazu findet sich hier.

Mischverhältnis

Das genaue Verhältnis zwischen Mehl und Ei beziehungsweise anderen Flüssigkeiten lässt sich laut den allermeisten Autoritäten nicht genau festlegen. Luftfeuchtigkeit, Art und Feuchtigkeit des Mehls, Temperatur - all das beeinflusst, wie viel Flüssigkeit nötig ist, um einen perfekten Teig zu bekommen. Wer trotzdem spontan und ohne große Umstände einen passablen Teig machen will: Von Michael Ruhlmann stammt diese brauchbare Formel. Zwei Teile Ei auf drei Teile Mehl ergeben einen Teig, der mit kleineren Mehl- oder Wasserzugaben ziemlich zuverlässig gut wird.

Die allermeisten Rezepte bewegen sich in dieser Größenordnung, ohne die Formel so schön dezidiert anzugeben. Da ein großes Supermarkt-Ei relativ verlässlich 60 Gramm hat, heißt das: Auf ein Ei kommen 90 Gramm Mehl. Der Rest muss erfühlt werden. Das Ergebnis dieses simpelsten aller Pastarezepte ist relativ zurückhaltend im Geschmack, nicht zu weich, aber auch nicht zu fest, nicht übermäßig seidig, aber sehr akzeptabel - ein gutes neutrale Vehikel für zarte Saucen, etwa aus Meeresfrüchten oder Fisch.

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Ei oder Eigelb

Nudeln gehen auch ohne Ei, die Chinesen, immerhin die Erfinder der Pasta, machen es ganz großartig vor. Für frische Weizenpasta aber macht Ei einige gute Dinge: Das Eigelb gibt Farbe, Geschmeidigkeit und Körper, das Eiweiß sorgt für Wasser und zusätzliche Proteine, die die Struktur des Teiges stärken. Simple Pasta-Rezepte setzen auf die Verwendung ganzer Eier, sicher auch, weil das die ökonomisch sinnvollste Variante ist. Wer es sich aber leisten kann, der nimmt bloß Eigelb und ein wenig Milch und Öl - es zahlt sich aus.

Ich habe für die Tests das Rezept von Thomas Keller probiert, für mich die kochtechnische Messlatte für alle Standardrezepte. Herr Keller nimmt auf knapp 400 Gramm Mehl stolze 15 Eigelb. Außerdem mischt er eine vergleichsweise homöopathische Menge Olivenöl und Milch hinzu. Die Milch dient wohl dazu, das fehlende Wasser aus dem Eigelb zu ersetzen, welchen Zweck das Olivenöl genau hat, weiß ich nicht (lesen Lebensmittel-Chemiker mit?) - das Ergebnis ist jedenfalls für sich gegessen um eine Klasse besser als klassische Mehl-Ganzei-Pasta. Die Konsistenz ist herrlich geschmeidig, der Geschmack voll und prall, nur das Olivenöl war mir zu präsent.

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Ich habe  daher zu Testzwecken einen Teig nur aus Mehl und Eigelb geknetet. Der hat sich zuerst als so hart und widerspenstig erwiesen, dass ich schließlich etwas Wasser dazumischen musste, bevor er sich bearbeiten ließ. Das Ergebnis nach einiger Knetmühe und Rastzeit: ziemlich perfekte Nudel-Konsistenz - sehr seidig, trotzdem knackig, eine sehr schöne gelbe Farbe, ganz ohne den störenden Olivenöl-Geschmack.

Die reine Eigelb-Pasta war nicht ganz so geschmeidig wie die Keller-Nudeln, zudem verleiht das Olivenöl dem Teig im rohen Zustand einen hübsch-matten Teint. Weil aber die Eigelb-Variante einfacher ist und nicht nach Olivenöl schmeckt, haben die Australierin und ich sie trotzdem zum Sieger gekürt.

Rasten und Kneten

Frau Hazan gibt in ihrem Standardwerk eine Knetzeit von mindestens acht Minuten an. Weil das sicher auf den Kneter ankommt: Bearbeiten Sie Ihren Teig so lange, bis er Ihnen geschmeidig vorkommt - im Zweifelsfall lieber etwas länger. Anders als Kuchenteig können Sie Pastateig nicht überkneten: Das Walken führt zur Bildung von Gluten, das dafür sorgt, dass Ihre Nudeln Struktur und Körper haben - und genau das wollen Sie in Ihrer Pasta haben.

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Nach dem Kneten muss der Teig rasten, damit sich das Gluten etwas entspannen und ordnen kann und die Stärke im Mehl Zeit hat, die Flüssigkeit aufzusaugen. Ideas in Food schreiben, dass der Teig mindestens eine halbe Stunde ruhen soll, Thomas Keller lässt den Seinen sicherheitshalber mindestens zwölf Stunden rasten. Ich habe alle Teige - also auch jenen von Keller - nach etwa 90 Minuten verarbeitet - das hat in jedem Fall völlig gereicht. Die rohen Teige haben sich am nächsten Tag zugegeben besser angefühlt und waren noch angenehmer zu verarbeiten - die gekochten Nudeln waren aber nicht merkbar besser.

Der vorläufig perfekte Pastateig (Für zwei)

120 Gramm Weizenmehl

4 Eigelb

15 Gramm Milch oder Wasser

Für Mehl und Milch/Wasser gilt: Kneten Sie und nehmen Sie gegebenenfalls etwas mehr vom einen oder anderen, je nachdem, ob der Teig extrem klebt oder sehr trocken ist. Mengenangaben können hier Erfahrung nicht ersetzen.

Alle Zutaten in einer Schüssel zu einem groben Teig zusammenkneten - je nachdem, wie klebrig oder trocken das Ergebnis ist, geben Sie etwas mehr Mehl oder Milch/Wasser hinzu. Anschließend auf einer bemehlten Fläche so lange (mindestens acht Minuten) bearbeiten, bis ein kompakter, matt-seidiger Teig entsteht. Wenn Sie Ihren Finger tief hineindrücken und wieder herausziehen, sollte nichts oder nicht allzu viel daran kleben bleiben.

Als Knettechnik empfiehlt Marcella Hazan Folgendes: den Teig mit dem Handballen von sich wegschieben und so in die Länge ziehen. Zusammenfalten, um 90 Grad drehen und erneut mit dem Handballen wegschieben. Das sieht so aus und funktioniert recht gut. In Frischhalte-Folie wickeln und mindestens 90 Minuten, gern auch bis zu 24 Stunden, im Kühlschrank rasten lassen.

Den Teig in der Pastamaschiene ausrollen. Für Linguine rolle ich bis Stufe sechs, für Ravioli bis Stufe sieben. In die gewünschte Form schneiden, ein bis zwei Minuten in stark gesalzenem Wasser kochen, in der Sauce schwenken, sofort genießen.

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