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Freude vorne. Leid hinten.

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So sieht also das Ende aus.

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Belo Horizonte - Als Maracanaço, "der Schock von Maracanã", brannte sich das verlorene WM-Finale 1950 im eigenen Land gegen Uruguay (1:2) ins kollektive brasilianische Gedächtnis. Dieses Trauma haben die Deutschen am Dienstag durch ein viel dramatischeres ballesterisches Ereignis abgelöst. Es war noch keine halbe Stunde im Estádio Mineirão zu Belo Horizonte gespielt, da leuchtete auf der Anzeigetafel ein 0:5 auf. Die Zuschauer konnten das unglaubliche Geschehen auf dem Spielfeld kaum fassen. Die Fans der Seleção weinten hemmungslos, mehr Schmerz ging nicht mehr. Und Anhänger der deutschen Auswahl hatten Freudentränen in den Augen.

Ohne ihren fehlenden Superstar Neymar, der verletzungsbedingt auch nicht im Stadion weilte, waren die Brasilianer von Anfang an völlig orientierungslos. Wie sehr die Mannschaft am 22-Jährigen hängt, zeigte sie schon vor dem Anpfiff: Trainer Luiz Felipe Scolari und alle Spieler betraten das Stadion mit weißen Schirmmützen, auf der die Aufschrift "Forca Neymar" prangte. Während der Hymne hielten Goalie Júlio César und Abwehrchef David Luiz ein Trikot von Neymar in den Händen.

Müller legt los

Thomas Müller eröffnete nach einem Eckball von Toni Kroos das Schützenfest. Der von der brasilianischen Defensive sträflich alleingelassene Stürmer schoss wie in einem Schülerligamatch locker mit dem Innenrist ein (11.). Es war Müllers fünfter Treffer im sechsten WM-Spiel in Brasilien und das 2000. Tor der deutschen Nationalmannschaft. Dann wurden die brasilianischen Träume innert sechs Minuten zertrümmert: Erst traf Miroslav Klose im zweiten Versuch (23.), der 36-Jährige adelte sich mit dem insgesamt 16. WM-Treffer zum alleinigen WM-Rekordtorschützen. Vorgänger Ronaldo verfolgte seine Ablöse als Kommentator im Stadion. Toni Kroos mit einem Doppelpack (24., 26.) sowie Sami Khedira (29.) gaben der völlig in Auflösung begrifflichen Seleção den Rest.

Der 21-jährige Bernard, der in Belo Horizonte geboren wurde, konnte den Ausfall Neymars nicht annähernd ersetzen. Auch Dante, der die Laufwege seiner deutschen Kollegen vom FC Bayern München kennen sollte, hatte den von Bundestrainer Joachim Löw perfekt eingestellten Deutschen nichts entgegenzusetzen. Der wegen einer Gelbsperre fehlende Kapitän Thiago Silva wurde an allen Ecken und Enden vermisst.

Ehrentor und Rekordniederlage

Das kollektive Versagen nahmen die Brasilianer hin, nur kurz bäumte sich die Mannschaft in Hälfte zwei auf. Doch Neuer hielt gegen Oscar und Paulinho bravourös. Stattdessen sorgte der eingewechselte André Schürrle für noch größere Demütigung: 0:6 (69.)! 0:7 (79.)! Oscar gelang noch der Ehrentreffer (90.). Der fünffache Weltmeister Brasilien hat in seiner großen WM-Geschichte noch nie sieben Gegentreffer kassiert. Die Euphorie ist blankem Entsetzen gewichen. (krud, DER STANDARD, 9.7.2014)

Fußball-WM, Halbfinale, Dienstag

Brasilien - Deutschland 1:7 (0:5)
Belo Horizonte, Estadio Mineirao, 57.000 Zuschauer, SR Rodriguez (MEX)

Torfolge:
0:1 (11.) Müller
0:2 (23.) Klose
0:3 (24.) Kroos
0:4 (26.) Kroos
0:5 (29.) Khedira
0:6 (69.) Schürrle
0:7 (79.) Schürrle
1:7 (90.) Oscar

Brasilien: Julio Cesar - Maicon, David Luiz, Dante, Marcelo - Fernandinho (46. Paulinho), Luiz Gustavo - Bernard, Oscar, Hulk (46. Ramires) - Fred (70. Willian)

Deutschland: Neuer - Lahm, Boateng, Hummels (46. Mertesacker), Höwedes - Khedira (76. Draxler), Schweinsteiger, Kroos - Müller, Klose (58. Schürrle), Özil

Gelbe Karten: Dante bzw. keine