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Man schätzt, dass noch mehr als 70 indigene Stämme isoliert im Amazonas-Regenwald leben. Diese Luftaufnahme zeigt Mitglieder einer unkontaktierten indigenen Gruppe in der Nähe der peruanischen Grenze.

Foto: Gleison Miranda/Funai/Survival/dapd

Rio Branco - Ein bisher isoliert lebender Stamm von Ureinwohnern in der Amazonas-Region hat vor einigen Tagen unerwartet den Kontakt zur Zivilisation gesucht, wie die brasilianische Behörde zum Schutz der indigenen Bevölkerung (FUNAI) in einer knappen Mitteilung bekannt gegeben hat. Die Entscheidung könnte sich als tragischer Fehler erweisen, wie Fachleute befürchten.

Ereignet hat sich die friedliche Kontaktaufnahme am 29. Juni am Oberlauf des Flusses Envira im brasilianischen Bundesstaat Acre nahe der Grenze zu Peru. Wie eine Gruppe von Wissenschaftern berichtet, traten die Indios aus dem Dschungel hervor und näherten sich den Forschern.

Erste offizielle Kontaktaufnahme seit 18 Jahren

Der Vorfall - es handelt sich in Brasilien um den ersten offiziellen Kontakt mit einem isoliert lebenden Stamm seit 18 Jahren - kam nicht völlig unerwartet. Bereits Anfang Juni wurden Berichte aus der Region bekannt, wonach eine Gruppe von rund 30 Indigenen aus dem Dschungel zumindest bei zwei Gelegenheiten Feldfrüchte, Macheten und andere Werkzeuge aus einem Dorf stehlen wollte.

Die brasilianische Regierung reagierte prompt auf diese Vorfälle und entsandte ein Team von Spezialisten in die Gegend, dem neben medizinischem Personal auch José Carlos Meirelles angehört, ein Anthropologe, der die Regierung von Acre bei indigenen Angelegenheiten berät.

Von Krankheiten, illegalen Holzfällern und Erdölprojekten bedroht

Die US-Anthropologin Kim Hill von der Arizona State University in Temple befürchtete, dass die Kontaktaufnahme für die Indios tragische Folgen haben wird. Die Forscherin - sie beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit indigenen Stämmen im Gebiet des Amazonas-Regenwaldes - sieht unter anderem gesundheitliche Gefahren. Beispielsweise seien zwischen 1983 und 1985 mehr als 60 Prozent des bis dahin im peruanischen Amazonas-Urwald lebenden Nahua-Volkes von Krankheiten dahingerafft worden, nachdem es seine Isolation aufgegeben hatte.

Noch ist nicht völlig klar, was den Stamm im aktuellen Fall dazu bewogen hat, den Kontakt zur Zivilisation zu suchen. Doch die brasilianische Regierung geht davon aus, dass die Indigenen aus Peru über die Grenze ab gedrängt wurden, weil es den peruanischen Behörden offenbar nicht gelungen ist, illegale Abholzung und Drogenschmuggel in ihrem Gebiet zu bekämpfen.

Auch in anderen Regionen von Perus Amazonasregenwald stehen unkontaktierte Völker angesichts umfangreicher Gas- und Ölprojekte unter Druck. Sollte es nicht gelingen, das Land ausreichend zu schützen, könnten die Folgen von Gewalt und eingeschleppten Krankheiten fatal sein.  (red, derStandard.at, 9.7.2014)