Zwei Atome tauschen ein virtuelles Photon aus. Ein israelisch-österreichisches Team schlug nun eine Methode vor, mit der man diese Kräfte um Größenordnungen verstärken könnte.

Illustration: TU Wien

Wien/Rechovot - Der leere Raum ist weitaus nicht so leer wie man vielleicht meinen möchte - zumindest wenn es nach der Quantenfeldtheorie geht. Dieser These zufolge entstehen im Vakuum quasi aus dem Nichts Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich augenblicklich wieder gegenseitig vernichten. Dieses Phänomen kennt man in der Quantenphysik als "Vakuumfluktuation". Die Teilchenpaare selbst lassen sich direkt nicht nachweisen - daher die Bezeichnung "virtuell" -, messbare Folgen der Vakuumenergie zeigen sich allerdings beispielsweise beim Casimir-Effekt. Ein Forschungsteam vom Weizmann-Institut (Rechovot, Israel) und der TU Wien schlug nun eine Möglichkeit vor, diese Kräfte um Größenordnungen zu verstärken. Gelingen soll dies durch die Verwendung einer Leitung, die virtuelle Teilchen in die richtige Richtung lenkt.

Eigentlich verletzt das plötzliche Auftauchen und Verschwinden der Teilchen-Antiteilchen-Paare den Energieerhaltungssatz. In der Quantenphysik ist die Angelegenheit allerdings etwas komplizierter: "Aufgrund der Unschärferelation können virtuelle Teilchen für einen kurzen Zeitraum spontan entstehen", erklärt Igor Mazets von der TU Wien. "Je höher ihre Energie ist, umso schneller verschwinden sie auch wieder."

Geckos profitieren von Vakuumfluktuationen

Doch solche virtuellen Teilchen können messbare Auswirkungen haben. Auf sehr kurzen Distanzen können Vakuumfluktuationen zu einer Anziehung zwischen Atomen und Molekülen führen, den sogenannten Van-der-Waals-Kräften. Sogar die Fähigkeit eines Geckos an glatten Oberflächen nach oben zu klettern hat teilweise mit Vakuumfluktuationen und virtuellen Teilchen zu tun. Der Casimir-Effekt ist ein weiteres Beispiel für die Macht des Vakuums: Der Physiker Hendrik Casimir berechnete 1948, dass parallele Spiegel im leeren Raum einander anziehen, aufgrund der Art, wie sie das Vakuum um sie herum beeinflussen.

Zwei Atome, die nahe beisammen liegen, verändern ebenfalls das Vakuum in ihrer Umgebung. Eines von ihnen kann ein virtuelles Photon emittiert, das praktisch zeitgleich vom anderen Atom absorbiert wird – betrachtet auf einer Zeitskala, die größer ist als die kurze Lebensdauer des Photons hat sich eigentlich nichts geändert. Die Gesamtenergie ist gleich geblieben. Doch alleine schon die Tatsache, dass in diesem Fall virtuelle Teilchen ausgetauscht werden können, ändert die Eigenschaften des Vakuums um die Atome, und das führt zu einer Kraft.

Schwer messbare Kräfte

"Normalerweise sind solche Kräfte sehr schwer zu messen", sagt Mazets. "Das liegt zum Teil daran, dass ein Photon in jede Richtung emittiert werden kann und dass die Chance für das Photon, vom zweiten Atom absorbiert zu werden, sehr gering ist."

Aber was geschieht, wenn man dem virtuellen Teilchen hilft, den richtigen Weg zu finden? Ephraim Shahmoon, Gershon Kurizki (Weizmann Institute of Science) und Igor Mazets berechneten wie sich die Vakuumkräfte ändern, wenn die Atome unmittelbar bei einer gekühlten elektrischen Transmissionsleitung aufhalten, etwa bei einem Koaxialkabel oder einem koplanaren Wellenleiter (ein Element, das in der Resonator-Quantenelektrodynamik schon heute als offene Leitung verwendet wird). "In diesem Fall werden die Fluktuationen effektiv auf eine Dimension beschränkt", sagt Igor Mazets. Die virtuellen Teilchen werden dazu gezwungen, sich in Richtung des anderen Atoms zu bewegen.

Um Größenordnungen verstärkt

In diesem Fall wird die Kraft zwischen den Atomen, die durch die Fluktuationen entsteht, um Größenordnungen stärker als im leeren Raum. Normalerweise nimmt die Kraft mit zunehmendem Abstand zwischen den Atomen rasch ab. Durch die Transmissionsleitung fällt die Kraft nur noch mit der dritten Potenz statt wie gewöhnlich mit der siebten Potenz des Abstandes.

Das Forschungsteam glaubt dass ihr vorgeschlagenes Konzept für die Verstärkung der Kraft von Vakuum-Fluktuationen sehr wesentliche Auswirkungen auf unser Verständnis von Casimir- und Van-der-Waals-Kräften haben wird. Die Effekte könnten sogar für Anwendungen im der Quanteninformation und anderen aktuellen Quantentechnologien eingesetzt werden. (red, derStandard.at, 24.07.2014)