Der Weg von Neusach am Weißensee auf den Latschur ist ein ziemlicher Hatscher, die Retourfahrt mit dem Linienschiff dafür umso gemütlicher.

Grafik: Der Standard

Der Latschur, mit 2236 Metern die höchste Erhebung der gleichnamigen Gebirgsgruppe, ist der stille und unverpistete Bruder des Goldecks. Auch als Aussichtsbalkon muss er den Vergleich mit seinem berühmteren Nachbarn nicht scheuen. Die Abgeschiedenheit des Bergs muss allerdings mit einem Aufstieg über 1300 Höhenmeter bezahlt werden. Die Latschurgruppe gehört zu den Gailtaler Alpen in Kärnten und reicht von der Drau bei Sachsenburg bis zum Weißensee.

Im Osten ein Fjord

Das östliche Ufer dieses Sees ähnelt einem norwegischen Fjord – begrenzt von steilen, teils felsigen Flanken. Bekannt ist der Weißensee durch seine „Eisgarantie“, weshalb er im Winter bei Schlittschuhläufern beliebt ist. Im Sommer schätzen ihn ob seiner Klarheit und Wassertemperatur bis 24° vor allem Schwimmer und Taucher – aber auch die Wanderer.

Start am Ufer des Weißensees beim Restaurant Seefriede in Neusach. Zuerst geht es ein Stück der Straße entlang, bis nach dem Ortsende-Schild der Weg Nr. 9 in Richtung Latschur abzweigt. Nach den letzten Häusern rechts tief in den Wald hinein, den wir für längere Zeit nicht mehr verlassen. Der schmale Weg schlängelt sich nun über einen steilen Hang in Richtung Osten. Sobald der Wald wieder lichter wird, lohnt der Blick nach unten zum See in leuchtenden Farben. Er verdankt sie feinen Kalkpartikeln, die im Wasser schweben und das Licht reflektieren. Je nach Wassertiefe wechselt die Farbe von Weiß über Türkis bis Dunkelgrün.

Vom Enzian zum Leinkraut

Nach eineinhalb Stunden erreichen wir einen Waldkamm und eine Lichtung (1631 m), wo erstmals der Gipfel des Latschur ins Blickfeld rückt. In weitem Linksbogen folgen wir dem Kamm – einer der schönsten Abschnitte des Weges, teils durch hübsche Lärchenwäldchen, teils über Wiesen mit Enzian und Leinkraut.

Nach den Kuckwänden betreten wir die baumfreie alpine Szenerie auf dem Stoisa-Sattel. Wenig später stellt uns ein Schild vor die Wahl, entweder nach links unterhalb des Almspitzes weiter zum Gipfel zu marschieren oder über den Almspitz. Diesen heben wir uns für den Abstieg auf und queren dessen Westflanke bis zu einem Sattel, von dem wir in 10 Minuten das Gipfelkreuz des Latschur erreichen (4,5 h). Der Ausblick von hier heroben reicht vom Drautal bis zu den Karnischen Alpen und in die Hohen Tauern.

Glundner Käse vom Senner

Abstieg – dieses Mal über den Almspitz. In südlicher Richtung über den Kamm bis zum Stoisa-Sattel und östlich über Almwiesen zur schön gelegenen Techendorfer Alm (1537 m), die während der Weidezeit bewirtschaftet ist. Die Senner bieten Produkte aus eigener Erzeugung an, darunter Glundner Käse – vor allem aber: Es gibt endlich etwas zu trinken!

Von der Alm weiter geht es zuerst auf einem Fahrweg, dann abwechselnd auf einem Waldpfad und einem Forstweg, bis wir die Wahl haben zwischen einem (sehr!) langen, flachen Forststraßen-Hatscher oder einer steileren, kürzeren Variante, die entlang des schluchtartig eingeschnittenen Silberbaches verläuft. Beide Wege führen zum Schwemmkegel des Silberbachs, der jene flachen Uferwiesen am Ostufer des Weißensees schuf, die heute Badegäste und Camper nützen. Auch wir werfen uns bei Ortsee von einem öffentlichen Badestrand aus in die Fluten.

Kurs auf den Ausgangspunkt

Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, müssen wir weiter zum Gasthaus Dolomitenblick und von dort das Linienschiff nehmen. Da es keine Durchgangsstraße vom West- zum Ostufer gibt, sondern lediglich einen markierten Wanderweg, müssten wir andernfalls marschieren – zu viel für heute. Die Bootsfahrt bildet aber ohnehin ein würdiges Finale dieser Tour, und zudem verfügen die Linienschiffe auch über ein kleines gastronomisches Angebot für den Rückweg. Auf ihrem Kurs von Ortsee laufen die Schiffe sieben Anlegestellen an – die fünfte ist unser Ausgangspunkt, das Restaurant Seefriede in Neusach. (Thomas Rambauske, Album, DER STANDARD, 26.07.2014)