ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel ist mit der Erneuerungsbewegung "Evolution" beauftragt.

Foto: ÖVP/Georges Schneider

Die ÖVP diskutiert ihre Zukunft. Mit dem Projekt "Evolution“, das am Donnerstag in Wien vorgestellt wird, ruft sie zur inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung der Partei auf. Der Meinungsaustausch soll in ein neues Parteiprogramm münden. Neu ist dieser Versuch der programmatischen Erneuerung nicht, die Volkspartei ortet seit Jahren Reformbedarf. Denn Parteiprogramme spiegeln das politische Angebot wider und unterliegen somit gesellschaftlichen Modernisierungszwängen. Das aktuelle Parteiprogramm der ÖVP stammt aus dem Jahr 1995.

Geglückter Diskussionsprozess in den 1970er-Jahren

Ein Meilenstein in der Geschichte der ÖVP-Parteiprogramme war das "Salzburger Programm" von 1972. Darin wurden sechs zentrale Werte der VP festgehalten: Freiheit, Gleichheit, Leistung, Partnerschaft, Aufgabenteilung und Partizipation. "Diesem Parteiprogramm ging ein erfolgreicher Diskussionsprozess voraus", sagt Heinrich Neisser, ehemaliger ÖVP-Politiker. Damals habe es noch programmatische Denker gegeben, die wichtige Impulse gesetzt hätten. Die Grundstrukturen aus dem "Salzburger Programm" wurden in das Parteiprogramm von 1995 übernommen.

"Selbstfindungsprozess beginnt zu spät"

Seither gab es einige Versuche, das Papier zu reformieren. Doch zu oft sind Diskussionen versandet und Reformen ergebnislos geblieben. So war es auch mit den Ergebnissen der Perspektivengruppe von Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll.

Für Walter Marschitz, Obmann der Plattform für offene Politik, kommt der Modernisierungsprozess der ÖVP zu spät: Entscheidend sei es nun, nicht nur Vorschläge zu erarbeiten, sondern Ergebnisse verbindlich zu machen. "Es geht um die mittelfristige Perspektive der Sachthemen Bildungspolitik, Sozialpolitik, Sicherheitspolitik, Generationen und Familienpolitik", sagt Marschitz. Außerdem müsse ein innerparteilicher Diskurs mit klaren Spielregeln etabliert werden. "Foren, wo um den gemeinsamen Konsens gerungen wird, sind in der ÖVP unterentwickelt", analysiert Marschitz.

Neisser: Prozess wird Jahre dauern

Auch Neisser hofft, dass die ÖVP erkennt, wie dringlich es sei zu überlegen, wofür man wirklich stehe. "Wenn das nur ein verwaschener Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen wird, wird die Diskussion keinen Erfolg haben“, zeigt sich Neisser kritisch. Er sieht die Diskussion aber grundsätzlich als Impuls für einen Entwicklungsprozess. Dieser würde in seinen Augen jedoch einige Jahre in Anspruch nehmen. (Elisabeth Kleinlercher, derstandard.at, 3.9.2014)