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Die Zentrale der US-Großbank JPMorgan in New York. US-Institute haben in der Krise horrende Verluste im Eigenhandelsgeschäft gemacht.

Foto: AP/Mark Lennihan

Wien - In der Theorie ist die Sache simpel. Banken nehmen Einlagen von Sparern entgegen, damit sie das Geld an Kreditnehmer weiterreichen oder sonst wie gewinnbringend anlegen können. Für viele Banker ist diese Strategie allerdings zu langweilig. Sie haben entdeckt, dass sich mehr Rendite erwirtschaften lässt, wenn man nicht nur fremdes Kapital einsetzt, sondern auch mit den eigenen Mitteln der Bank spekuliert.

In den Jahren vor Krisenausbruch 2008 boomte dieses Geschäft: Geldhäuser investierten Milliarden auf eigenen Namen und eigene Rechnung in Aktien, Immobilienpapiere, Hedgefonds und Derivate. Die Folgen waren fatal. Als die Immobilienblase platzte, erwischte es viele Kreditinstitute zweifach, weil sie neben Kundengeldern auch ihr eigenes Geld verzockt hatten. Die Investmentbank Lehman Brothers etwa machte in den 18 Monaten vor ihrer Pleite 20 Milliarden Dollar Verlust mit Eigengeschäften.

Als Reaktion setzten die USA 2010 die Volcker-Rule in Kraft, benannt nach dem früheren Notenbankchef Paul Volcker. Kreditinstituten und ihren Tochtergesellschaften wurden Spekulationsgeschäfte auf eigene Rechnung weitgehend untersagt. Hat diese Regelung, die auch die EU abkupfern möchte, ihren Zweck erfüllt?

Im Einklang mit der Regelung

Nein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Ökonomen Jussi Keppo (University of Singapore) und Josef Korte (Universität Frankfurt). Die beiden haben untersucht, wie die rund 6000 US-Institute auf die Regeln reagiert haben. Dazu haben sich Keppo und Korte die Entwicklung der Bankbilanzen zwischen 2004 und 2014 angesehen. Zunächst zeigt sich, dass die Volcker-Rule starke Auswirkungen hatte, und das, obwohl einige der Regelungen erst 2015 voll in Kraft treten.

US-Institute wie Goldman Sachs und Citigroup versuchen bereits mit den neuen Regeln in Einklang zu leben und haben deshalb ihren Eigenhandel stark zurückgefahren. Zeigen lässt sich das am Beispiel der zehn aktivsten Banken im Metier. Vor 2010 hatten diese Institute fast 20 Prozent ihrer Aktiva im Eigenhandel eingesetzt. Der Prozentsatz liegt inzwischen nur mehr bei etwas über zehn Prozent.

Risikoverhalten ändert sich kaum

Doch diese Verhaltensänderung hat Kreditinstitute nicht sicherer gemacht, „die Geldhäuser nehmen sogar mehr Risiko in Kauf“, schreiben die Studienautoren. Die Gefahr von Bankenpleiten habe seit 2010 demnach nicht abgenommen.

Einer der Gründe dafür ist, dass die Volcker-Regel nicht alle Eigengeschäfte verbietet, einige Deals blieben erlaubt. Diese Lücken nutzen die Banken aus. Ein Beispiel: Kreditinstitute tätigen oft Geschäfte auf eigene Rechnung als Absicherung, etwa um Währungsschwankungen auszugleichen. Keppo und Korte zeigen, dass Absicherungsgeschäfte mit der Volcker-Rule abnehmen. Wenn schon weniger Eigendeals erlaubt sind, sollen diese wenigstens ordentlich Geld bringen. In dieses Bild passt auch, dass die Volatilität der Einnahmen aus dem Investmentgeschäft zugenommen hat. Mehr Volatilität ist ein Anzeichen für mehr Risikobereitschaft.

Vorbild für Europa?

Interessant dürften diese Erkenntnisse vor allem für Europa sein. Erst im Jänner hat die EU-Kommission einen ähnlichen Gesetzesvorschlag unterbreitet. In der Union soll zumindest für die 30 größten Finanzinstitute der Eigenhandel weitgehend verboten werden.

Für Autor Josef Korte zeigen die Studienergebnisse, dass Teilverbote bestimmter Aktivitäten kein zielführender Ansatz sind. Die Aufseher sollten Kreditinstitute „ganzheitlich“ betrachten, also eher auf strengere Kapitalvorschriften setzen. Denn wenn eine Bank bereit ist, ein bestimmtes Risiko einzugehen, sucht sie dieses Gefahrenlevel im Geschäftsleben - trotz einzelner Verbote. (András Szigetvari, DER STANDARD, 9.9.2014)