Reformkräfte im roten Team? "Dazu will ich mich nicht äußern." In der ÖVP ist Harald Mahrer für die Sanierung zuständig. Und er hat auch darüber hinaus einige Ideen.

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STANDARD: Bei Ihrer offiziellen Präsentation als neuer Staatssekretär mussten die beiden schwarzen Ministerinnen in der zweiten Reihe stehen: Sieht so die neue ÖVP aus?

Mahrer: Wie kommen Sie darauf?

STANDARD: Der STANDARD war dabei.

Mahrer: Wenn Sie sich den Evolutionsprozess anschauen, sehen Sie, wie viele Frauen dabei sind.

STANDARD: Ein unglückliches Bild für Sie als ehemaligen PR-Berater?

Mahrer: Wenn Sie das so interpretieren, ja. Es hat sich spontan ergeben.

STANDARD: Wie schwierig ist der Spagat, den Sie bei der Parteisanierung zwischen Reformern und Bewahrern hinlegen müssen?

Mahrer: Für uns ist es sicher viel schwieriger, alle unter einen Hut zu bringen, als für Parteien, die beim Thema Zuwanderung eine bestimmte Position haben. Als soziale Integrationspartei muss ich es als Realität annehmen, dass ich sehr viele bunte Positionen habe. Ich brauche dann eine Form von Partizipation, die zu einem Ausgleich führt, der dann auch von einer Mehrheit mitgetragen wird. Es wird nie so sein, dass jeder, der sich mit der Gesamtposition identifiziert, auch in jedem Teilbereich seine persönlichen Präferenzen umgesetzt sieht.

STANDARD: Wenn am Ende die runderneuerte ÖVP dasteht, kann es passieren, dass man nicht mehr zum Koalitionspartner SPÖ passt?

Mahrer: Darüber sollten wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Der Anspruch wäre, für sich selbst eine absolute Mehrheit anzustreben, was in einer westlichen Demokratie zurzeit schwierig ist.

STANDARD: Wer sind die Reformkräfte im roten Team?

Mahrer: Dazu will ich mich nicht äußern.

STANDARD: Sie haben einst für Schwarz-Grün die Werbetrommel gerührt. Noch 2013 hielten Sie es für "eine interessante Variante". Und heute?

Mahrer: Ich halte das weiterhin für eine interessante Variante, es ist nur einfach rechentechnisch nicht möglich. Es gibt natürlich gemeinsame Schnittpunkte, die man auch verfolgen könnte. Aber die Frage stellt sich jetzt nicht.

STANDARD: Und die Neos, mit deren Parteichef Strolz Sie inhaltlich viel gemein haben? Ist das auffälligste Unterscheidungsmerkmal nicht, dass Sie den Anzug tragen?

Mahrer: Wir kennen uns seit unserer Zeit bei der ÖH, haben beide versucht, die ÖVP von innen heraus auf die Höhe der Zeit zu bringen. Der Matthias kommt mir aber momentan viel mehr wie ein Stimmungsmacher als wie ein Macher vor. Ob man das nur auf die Kleidung zurückführen kann?

STANDARD: Was Sie eint: Ihr Einsatz für gerechte Bildungschancen. Die Julius-Raab-Stiftung, deren Chef Sie sind, fordert unter anderem die Bundeskompetenz für den elementarpädagogischen Bereich. Ist das noch immer wichtig?

Mahrer: Ja, das wäre wichtig. Wie der ganze Bereich intensive Aufmerksamkeit braucht. Momentan reden wir immer über Symptombekämpfung und Reparaturen, aber die Chancengerechtigkeit entscheidet sich vorn, nicht hinten beim Ausbessern.

STANDARD: Sollen alle Pädagogen und Pädagoginnen ein Studium absolvieren?

Mahrer: Eine Akademisierung würde zeigen, dass wir das besonders wertschätzen und den Menschen vor Ort, die in der besonders wichtigen Phase mit unseren Kindern arbeiten, ein anderes und noch wertvolleres Rüstzeug an die Hand geben. Das betrifft gar nicht so sehr die Entlohnung.

STANDARD: Zusammengefasst: Der Beruf der Kindergärtnerin soll akademisch werden?

Mahrer: Ja, ich kann mir das vorstellen.

STANDARD: Das können sich bis auf Ihre Kollegin Familienministerin Karmasin fast alle Experten vorstellen. Allerdings ist das Kostenargument, anders als Sie es darstellen, ein zentrales. Besser ausgebildete Pädagogen kosten mehr Geld.

Mahrer: All die Dinge kosten Geld. Etwa der jüngste Vorstoß der Bildungsministerin, die Mittelvergabe an Schulen per Sozialindex abzuwickeln. Es muss einmal eine Gesamtstrategie auf den Tisch kommen. Also: Was sollen die zentralen Bildungsziele sein? Das heißt natürlich auch, budgetär Veränderungen vorzunehmen. Das kann man nicht von einem Tag auf den anderen machen.

STANDARD: Was schätzen Sie: Ab wann muss man sich nicht mehr mit 14 Jahren für den Beruf der Kindergärtnerin entscheiden?

Mahrer: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir wollen jetzt - ähnlich wie im Steuerbereich - einmal gemeinsam definieren, wohin die Reise gehen soll. Das soll auch diese Verunsicherung herausnehmen, die draußen vorherrscht. Eltern und Lehrer wünschen sich eine Entemotionalisierung der Debatte. Da müssen wir aber davon wegkommen, uns täglich über die Medien auszurichten "Weg mit der 50-Minuten-Stunde" oder "Ich mag eine Sozialindexfinanzierung". Ich verstehe, wenn sich manche denken: Sind in der Politik alle wahnsinnig? Da muss die Regierung weniger erratisch und viel strukturierter werden.

STANDARD: Mittels Bildungsreformkommission?

Mahrer: Ja, das könnte eine Kommission als strukturiert arbeitende Gruppe sein. Vielleicht können wir das nächste Woche bei der Regierungsklausur vereinbaren.

STANDARD: Das Uni-Budget 2016-2018 muss bis Jahresende stehen. Was sagen Sie den Rektoren, die bereits befürchten, im Sog der Steuerreform unterzugehen?

Mahrer: Das sagt alles der Herr Vizekanzler. Ich kann dazu nichts anderes sagen als er.

STANDARD: Nämlich?

Mahrer: Dass wir uns darum bemühen, diese berühmte Gesamtsumme aufzustellen, wobei ja ein Teil dieser geforderten Milliarde Mittel für Infrastruktur, Bauten, Forschung beinhaltet. Wir hoffen hier alsbaldig etwas dazu verkünden zu können.

STANDARD: Also bleibt es bei rund 615 Millionen statt einer Milliarde?

Mahrer: Das ist unser Ziel. Wir müssen uns nach der Decke strecken, es gibt keine magischen Bankomaten im Land.

STANDARD: Vorletzte Frage: Was machen Sie eigentlich konkret als Staatssekretär?

Mahrer: Ich unterstütze Reinhold Mitterlehner im gesamten Haus. Wir teilen uns die Aufgaben, die Termine. Es ist wie ein Tandem: Er ist der Einser und ich der Zweier.

STANDARD: Letzte Frage: Wie gefällt Ihnen das Bild der ÖVP als Hort schwarzer Kellernazis?

Mahrer: Es ist gut, dass sich das Thema mit dem Rücktritt der beiden Gemeinderäte erledigt hat. Narren gibt es überall, aber die müssen nicht unbedingt Teil unserer Sinngemeinschaft sein. (Elisabeth Kleinlercher, Karin Riss, DER STANDARD, 22.9.2014)