Simple Anmerkungen oder auch ...

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... Hinweise, wenn User übers Ziel hinausschießen.

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Community-Manager suchen den Diskurs mit den Usern ...

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... und im Idealfall meldet sich bei inhaltlichen Fragen die Redaktion zu Wort.

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"Digitale Mistkübelausleerer", so nennt Michael Fleischhacker, Leiter des Projekts NZZ.at in einem Interview jene, die für die Moderation in den Foren zuständig sind.

Unsere Rolle als Community-Manager ist jedoch nicht, "den Mistkübel zu leeren". Das ist zu wenig weit gedacht. Wir sind ein Bindeglied zwischen der Redaktion und jenen Lesern, die sich aktiv unter den Artikeln am Diskurs beteiligen und Kommentare posten. Wir moderieren dort, wo es nötig wird, und reagieren, wenn die Forenrichtlinien nicht eingehalten werden.

Eskalation im Internet

Das Internet enthemmt: In manchen Situationen werden ad hoc Kommentare abgeschickt, die womöglich dem Gegenüber so nicht ins Gesicht gesagt würden. Das hat nichts mit der Anonymität oder Nicht-Anonymität zu tun. Klarnamendebatten mögen geführt werden, sie treffen aber nicht den Kern des Problems, nämlich die schnellere Eskalation und Enthemmung durch das Nichtvorhandensein eines direkten Gegenübers.

Mit einem professionellen Community-Management soll eine Eskalation durch aufkochende Emotionen abgefangen werden. Dies geschieht nicht nur durch ein Moderieren der Foren – es geschieht durch ein aktives Auftreten. Präsenz, das ist der Schlüssel zu einem funktionierenden Diskurs zwischen den Usern und der Redaktion. Das mögen simple Anmerkungen sein, dass der Missbrauch der Bewertungsfunktion zu einem Entzug der Bewertungsrechte führen kann (Bild 1), oder auch ein Hinweis, wenn User über das Ziel hinausschießen und Foren mit immergleichen Inhalten fluten (Bild 2).

Doch wie reagiert man, wenn User bewusst provozieren? Sollten diese Postings gelöscht werden, oder sollte man darauf antworten? In der Moderation wird das "situationselastisch" entschieden, in diesem Fall war die Lösung, auf dieses Posting offensiv zu antworten (Bild 3) – übrigens schaffte es das Ursprungsposting mit 64 negativen Bewertungen tatsächlich, den Tagesrekord aufzustellen.

Dialog mit der Redaktion

Nun kann das Community-Management vieles, es kann aber nicht die Kommunikation zwischen den Autoren und den Usern ersetzen. Dort, wo es um inhaltliche Fragen geht, ist die Kommunikation mit den Redakteuren wichtig.

Und da gibt es bekanntlich unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Rolle ein Journalist hat und wie er auf User reagiert. Wie WebStandard-Redakteur Fabian Schmid in seinem Artikel beschreibt, sehen es manche nicht als ihre alleinige Aufgabe an, Texte zu schreiben. Bevor Medien ins Internet expandierten, schrieb der Journalist seinen Artikel, dieser wurde gedruckt – und damit war die Sache gegessen. Was ein Leser davon hält und inwieweit er das Geschriebene womöglich auch kritisiert, diese Information drang selten zu den Autoren vor.

Durch offene Foren unter jedem Artikel ist die Reaktion nun sofort ersichtlich. Diese kann auch sehr unangenehm sein, sind doch unter den Usern durchaus einige, die sich in manchen Themengebieten sehr gut auskennen. Womöglich auch besser als der Journalist. Internet demokratisiert die Beziehung zwischen Lesern und Journalisten. Im Internet ist der Leser nicht nur Leser, er ist User. Er kann sich einbringen und seine Meinung öffentlich posten.

Onlinemedien mit einer großen Community leben das aus, was die vielzitierte Diskussion auf Augenhöhe sein soll: ein Austausch zwischen einem Medium und seinem Publikum. Und der kann nur funktionieren, wenn sowohl die User, als auch die Redakteure einander mit dem entsprechenden Respekt begegnen. Viele Journalisten betreten Neuland, wenn sie direkt mit Usern interagieren, und wissen daher manchmal nicht, wie sie mit harscher, aber den Community-Richtlinien entsprechender Kritik umgehen sollen.

Wenn User und Redakteure aufeinandertreffen, gibt es Diskrepanzen im Umgang mit den Postings. Wo liegt die Grenze des guten Tons, wo fangen Diffamierung und persönliche Beleidigungen an? Ab wann ist ein Posting sinnvoll und trägt zu einer qualitätsvollen Debatte bei, ab wann sollte ein Posting gelöscht werden?

Souverän mit der hohen Anzahl an Reaktionen umzugehen, das ist die Herausforderung, vor die Onlinemedien wie derStandard.at gestellt werden. Natürlich gibt es keinen Zwang, auf alle Kommentare in Foren zu antworten. Oft genügt es, mit jenen in Kontakt zu treten, die für den Journalisten sinnvolle Inputs liefern. Und: Inhaltliche Kritik muss nicht immer richtig sein, wichtig ist es, zu reagieren, wie es das Wissenschaftsressort hier auch vorgemacht hat (Bild 4).

Positives hervorheben

In der Diskussion um Userkommentare und Onlineforen fallen gerne Begriffe wie "Dreck", "Mist" oder auch "Postinggülle". Trolle, Provokateure und Kommentare, die in Disharmonie mit den Forenregeln stehen, sind jedoch in der Minderheit. Für Unruhe in der Community sorgt auf derStandard.at ein sehr geringer Prozentsatz. Zwar überwiegt das Positive bei Postings, im öffentlichen Diskurs wird aber oftmals vermehrt über jene gesprochen, die zu negativen Dynamiken führen.

Das liegt auch daran, dass derzeit Postings, die qualitätsvolle Inhalte und sinnvolle Ergänzungen zu den Artikeln liefern, technisch noch nicht hervorgehoben werden. Das wird sich allerdings in Zukunft ändern, an einer entsprechenden Änderung wird gerade gearbeitet. Außerdem wird die lang herbeigesehnte "Ignore"-Funktion helfen, dass User Postings anderer User ausblenden lassen können, die in ihren Augen die Diskussion stören.

Besonders lesenswerte und witzige Postings werden bereits jetzt über unser werktägliches Format "Post von gestern" gekürt.

Die Stimmung in manchen Foren mag aggressiv sein, Postings müssen gelöscht werden, keine Frage. Doch eines sollte nicht vergessen werden: Die positiven Erfahrungen überwiegen die negativen. Hetzerische, rassistische, diffamierende Postings sollten gelöscht, Provokateure durch offensives Kontern in ihre Schranken verwiesen werden. Nicht aufgeben, das ist die Devise. Sich mit Kritik auseinandersetzen, reagieren, agieren.

Sexismus, Rassismus oder auch das bloße Stänkern können wir nicht abschaffen. Wir können aber die Diskussionen in geordnete Bahnen lenken und mit jenen Usern Formate umsetzen, die aktiv zu einer lebhaften Community beitragen.

Also: Nein, wir leeren nicht nur Mistkübel. Wir arbeiten aktiv mit unseren Usern. Weil wir den Dialog und den Austausch suchen. Aber immerhin klingt "Mistkübelausleerer" als Berufsbezeichnung kreativer als die üblichen Ausdrücke "Zensor", "Zensursula", "Zensi", "Zensurarschloch" oder "Löschbefugte". (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 26.9.2014)