Seit diesem Schuljahr ist eine"Deluxe"-Ausgabe des berühmten Sex-Koffers erhältlich.

Foto: Österreichische Gesellschaft für Familienforschung

Wien - Bei der sexuellen Aufklärung von Jugendlichen ist in Österreich "noch relativ viel Luft nach oben", erklärte Thorsten Graf von der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) bei einer Pressekonferenz anlässlich des Weltverhütungstags am Freitag. Er forderte daher am Donnerstag einen kontrolliert barrierefreien Zugang zu Verhütung und Nachschulungen von Lehrern und Lehrerinnen in diesem Bereich.

Laut einer aktuellen Online-Umfrage der Marktforscher von meinungsraum.at (500 Befragte) halten sich zwar acht von zehn Österreichern über 14 Jahre für "sehr gut" und "gut" über Verhütung informiert. Ein Drittel zeigte aber auf Nachfrage Wissenslücken: So stimmten zehn Prozent der Aussage zu, dass die Anti-Baby-Pille auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt und 20 Prozent (bzw. ein Drittel der Männer) bejahte, dass eine Frau nur an den letztem sieben Tagen ihres Zyklus schwanger werden kann. Außerdem waren zwei Drittel der Befragten der Meinung, die "Pille danach" wirke wie eine Abtreibung und nur 40 Prozent wussten, dass sie rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist.

Kostenlose Verhütung gefordert

Die Bundesjugendvertretung (BJV) fordert deshalb mehr Information über Sexualität ein, und zwar basierend auf den tatsächlichen Fragen und Bedürfnissen der Jugendlichen. Diese werden derzeit im Rahmen der Kampagne "Reden wir Klarsex" per Postkarten abgefragt, im Dezember sollen die darauf basierenden Forderungen der Politik übergeben werden. Außerdem forderte die BJV-Vorsitzende Laura Schoch eine Infokampagne über die Möglichkeit der "Pille danach" und besseren Zugang zu Verhütungsmitteln. "Hier schneidet Österreich im europäischen Vergleich schlecht ab", bemängelte sie. Geht es nach der BJV, müssen Jugendliche kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln erhalten. Außerdem brauche es flächendeckend Zugang zu Beratungsstellen, die auch ausreichend finanziert werden müssen, sowie mehr mobile Angebote wie die "Lovebusse".

Die Zahl der Teenager-Mütter zwischen 13 und 15 Jahren ist laut der ÖGF zwar seit Jahren rückläufig und liegt bei derzeit 16 bis 20 Geburten pro Jahr, allerdings sagt das nichts über die Zahl der abgebrochenen Schwangerschaften dieser Altersgruppe. Noch immer sind 84 Prozent der Schwangerschaften von Teenagern ungewollt, ein Viertel wird - etwa aufgrund von Verdrängung - erst nach der 20. Woche entdeckt. Mit 14 Prozent sei auch der Anteil der Frühgeburten unter Teenager-Müttern doppelt so groß wie bei erwachsenen Schwangeren.

"Sexkoffer Deluxe"

Laut der Gesellschaft für Familienplanung gibt es vor allem im ländlichen Raum zu wenig Information, dazu kommen Probleme beim Zugang zu Angeboten wie den in Wien vorhandenen "First-Love-Ambulanzen" oder Workshop-Angeboten von externen Sexualberatern an den Schulen. Außerdem seien am Land konservative Einflüsse stärker sind als in der Stadt, wie Graf betont. An den Schulen ist Sexualerziehung zwar schon seit den 1970ern als Unterrichtsprinzip verankert, allerdings seien die Lehrer nicht immer ausreichend geschult. Dazu kommt laut Schoch, dass Jugendliche oft nicht gern mit Autoritätspersonen über Sexualität reden.

Nur professionelle Aufklärung und ein positives Körperbewusstsein ab der Kindheit könne hier entgegenwirken, so Graf. Der ÖGF hat deshalb seit den 1980er-Jahren den als "Sexkoffer" bekannt gewordenen Verhütungskoffer im Angebot, seit diesem Schuljahr ist er als "Deluxe"-Version erhältlich. Neben den schon bisher enthaltenen Informationsmaterialien, einem Uterusmodell und Dummies von Anti-Baby-Pille bis zu Schaumzäpfchen enthält dieser nun auch weitere Verhütungsmittel (Diaphragma, das bei uns noch recht wenig bekannte Kondom für die Frau/Femidom) und sogenannte "Kondom-Demonstratoren", Holzpenisse in verschiedenen Größen zum Erlernen des korrekten Überziehens. Immerhin gebe es "die meisten Probleme mit falscher und 'vergessener' Anwendung, ein geplatztes Kondom ist sehr selten", wie Graf betont. (APA, derStandard.at, 25.9.2014)