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Die Forscher plädieren dafür, Diagnose und Behandlung von Lese- und Rechtsschreibstörungen zu spezifizieren.

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Frankfurt am Main - Lange wurde die Lese-Rechtschreibstörung - kurz Legasthenie - als zusammenhängendes Störungsbild angesehen. Nun zeigt eine Studie des Forschungszentrums IDeA (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk) aber: Kinder mit einer Lesestörung weisen andere Defizite im Arbeitsgedächtnis auf als Kinder mit einer Rechtschreibstörung. Die Lernschwierigkeiten im Bereich des Lesens und des Schreibens müssten daher differenzierter betrachtet werden als bisher, wie die Forscher um Janin Brandenburg im "Journal of Learning Disabilities" berichten.

Das Arbeitsgedächtnis ist im Gehirn für das kurzfristige Speichern und Verarbeiten von Informationen zuständig und gilt in der modernen Forschung als maßgeblich für das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen. "Kinder mit einer Lesestörung zeigen primär Defizite in der zentralen Exekutive", so Brandenburg.

Dabei handelt es sich um das Teilsystem des Arbeitsgedächtnisses, das die Koordination verschiedener Tätigkeiten gleichzeitig und den Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis steuert. "Kinder mit einer Rechtschreibstörung haben hingegen vor allem Probleme in der sogenannten Phonologischen Schleife, dem Bereich des Arbeitsgedächtnisses, der für die Verarbeitung sprachlicher Informationen verantwortlich ist", so die Forscherin weiter.

Mehrjährige Studie

Die Studie basiert auf mehrjährigen Untersuchungen von insgesamt 465 Kindern: 365 davon wiesen unterschiedliche Lernschwächen und -störungen auf, die übrigen 100 Kinder dienten als Kontrollgruppe. Die Forscher testeten über mehrere Schuljahre hinweg regelmäßig die kognitiven Funktionen der Probanden und erhoben ihren Lernstand.

Die Forscher kommen sehen sich darin bestätigt, dass es sich um zwei eigenständige Störungsbilder handelt, die sowohl isoliert als auch in Kombination auftreten können. "Es ist also dringend erforderlich, die offiziellen Kriterien zur Diagnose zu ergänzen und zu spezifizieren", sagt Brandenburg. Die Weltgesundheitsorganisation führe die Lese-Rechtschreibstörung etwa noch als zusammenhängendes Störungsbild. (red, derStandard.at, 14.10.2014)