Noch ist die Wohnhausanlage auf dem Dach des Shoppingcenters Auhof eine Baustelle.

Foto: Anna Blau

Ab Juni 2015 sollen Bewohner im großen Innenhof miteinander ins Gespräch kommen.

Visualisierung: Querkraft

Wien – "Die Grundstücke in Wien werden immer rarer und teurer", sagt der Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr (Grüne). "Schuld sind Bodenspekulation und veraltete Bebauungsbestimmungen. Und nachdem für Bauträger, sofern sie Wohnbaufördermittel beziehen, von Gesetz wegen bei 250 Euro pro Quadratmeter Baugrund Schluss ist, müssen wir uns allmählich nach Alternativen umsehen." Eine solche Alternative, so Chorherr, sei die Stadt über der Stadt.

Stadt über der Stadt

In Wien-Auhof kann man dessen gewahr werden, wie so eine Stadt über der Stadt aussehen kann. Auf dem Dach des Auhof-Centers, das derzeit saniert und umgebaut wird, entsteht ein Wohnhaus mit 71 Wohnungen. Eine Baustelle auf der Baustelle. Kommende Woche wird das Projekt Dachgleiche erreicht haben, Anfang 2015 startet die Vergabe der Wohnungen, geplante Schlüsselübergabe ist im Juni 2015.

"Das ist ein Experiment, ein Pilotprojekt, das in dieser Form in Wien einzigartig ist", sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). "Der Vorteil ist, dass man Grund und Boden spart und bestehende Grundstücksressourcen nutzen kann. Langfristig könnte so ein Projekt, wenn es Nachahmer findet, helfen, die Stadt zu verdichten und die Zersiedelung einzudämmen."

Baurecht auf 35 Jahre

Das juristische Konstrukt hinter dem Huckepack-Projekt ist ein vom Grundstückseigentümer Auhof-Center Besitz GmbH der WBV-GPA auf 35 Jahre eingeräumtes Baurecht. Diese muss lediglich einen Baurechtzins sowie eine Abgeltung für die konstruktiven und technischen Mehrmaßnahmen des Shoppingcenter-Betreibers – wie etwa statische Ertüchtigung, zusätzliche Haustechnik und Flächenverlust durch Wohnstiegenhäuser und Lift – zahlen. Das Modell ist billiger als ein klassisches Wohnhaus auf Straßenniveau.

"Ein Wohnhaus auf dem Dach eines Shoppingcenters", sagt Gehbauer, tief durchatmend, "klingt einfacher, als es ist. Tatsächlich kostet es viel Zeit und Energie, die unterschiedlichen Interessen von Wohnbauträger, Shoppingcenter-Betreiber und Grundstückseigentümer zu akkordieren und eine Lösung zu finden, die für alle passt. Es ist ein organisatorischer Mehraufwand, den man nicht unterschätzen darf, aber es zahlt sich aus. Das Resultat ist einzigartig."

Auch Peter Sapp, Projektleiter im zuständigen Architekturbüro Querkraft, meint: "Die Schnittstellen sind sehr komplex, denn ein Wohnhaus hat ganz andere Strukturen als ein Einkaufszentrum. Jeder Schacht, jeder Lift, jedes Fluchtstiegenhaus muss durch das EKZ durchgesteckt werden. Vor allem Brandschutz und Fluchtwegplanung bergen einige Tücken, aber wir haben es geschafft."

Riesenbassena in der Mitte

Das Ergebnis dieses rund sieben Millionen Euro teuren Wohnbauprojekts ist ein Wohnpark, dessen erster Stock elf Meter über dem Straßenniveau liegt. In der Mitte der Anlage gibt es einen Innenhof, den Sapp als "riesige Bassena" bezeichnet: Hier sollen sich die Wege der Bewohner kreuzen, hier sollen Herr Müller und Frau Bauer miteinander ins Gespräch kommen.

Rundherum sind die Wohntrakte mit insgesamt 59 barrierefreien Wohnungen und zwölf Maisonettewohnungen, die wie zweigeschoßige Häuschen auf dem Auhof-Center draufsitzen. Alle Wohneinheiten werden über Laubengänge erschlossen. Die Bruttomiete inklusive Betriebskosten wird bei durchschnittlich 7,50 Euro pro Quadratmeter liegen, der Eigenmittelanteil bei 325 Euro. 33 Prozent der Wohneinheiten werden als kompakte Smart-Wohnungen mit Superförderung auf den Markt kommen. Die Nachfrage wird entscheiden, ob die Idee dieses Pilotprojekts fortgesetzt wird. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 22.10.2014)