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Der Cuncaicha-Felsen liegt auf 4.480 Metern Seehöhe und bot den eiszeitlichen Jägern und Sammlern Schutz vor den harschen Bedingungen.

Foto: REUTERS/Kurt Rademaker

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Unter dem Felsüberhang entdeckten die Wissenschafter gut erhaltene und sicher zu datierende Objekte, die vor bis zu 12.400 Jahren genutzt wurden.

Foto: AP Photo/Science, Kurt Rademaker

Ein internationales Forscherteam hat in den südlichen Anden Perus in einer Seehöhe von 4.500 Metern die bislang höchstgelegenen menschlichen Eiszeitsiedlungen der Welt entdeckt. Die spektakulären Funde belegen, dass menschliche Behausungen bereits tausend Jahre früher als bisher gedacht in diesen Höhen existierten. Jäger und Sammler haben sich vor rund 12.000 Jahren, im späten Pleistozän, trotz tiefer Temperaturen, hoher Sonneneinstrahlung und niedrigen Sauerstoffwerten in der abgelegenen, baumlosen Landschaft niedergelassen – und das bereits 2.000 Jahre, nachdem die ersten Menschen Südamerika erreichten.

"Das Wissen über die Anpassung der Menschen an extreme Umweltbedingungen ist wichtig, um unsere kulturelle und genetische Leistungsfähigkeit fürs Überleben zu verstehen", meint Kurt Rademaker von der University of Maine, der zusammen mit Christopher Miller von der Universität Tübingen die zwei neu entdeckten archäologischen Fundplätze im Pucuncho-Becken in den peruanischen Anden untersucht hat.

Einer der Fundplätze, als Pucuncho bezeichnet, liegt auf 4.355 Metern Höhe. Dort wurden 260 Steinwerkzeuge entdeckt, darunter bis zu 12.800 Jahre alte Geschossspitzen. Der zweite Fundplatz, der Cuncaicha-Felsen auf 4.480 Metern Höhe, barg gut erhaltene und sicher zu datierende Objekte, die vor bis zu 12.400 Jahren genutzt wurden. Der Felsüberhang, der Aussicht auf Feuchtgebiete und Wiesen bietet, hat rußgeschwärzte Decken und enthält künstlerische Felsdarstellungen. Er wurde vermutlich als Lagerstelle genutzt.

Jagd auf Vikunjas und Guanakos

Die Wissenschafter Miller identifizierte in den Sedimenten dieses Felsüberhangs mikroskopisch kleine Aschereste, die von den Feuern der frühesten Höhlenbewohner stammten. "Diese Asche entstand vermutlich bei der Verbrennung von den dort vorkommenden Polsterpflanzen, die bis heute von den Einheimischen zu diesem Zweck genutzt werden", sagt Miller. Dieser Nachweis belege die bemerkenswerten Fähigkeiten der frühen Andenbewohner, in einer extrem rauen Umgebung zu überleben. Die meisten Steinwerkzeuge von der Cuncaicha-Fundstelle waren aus dem vor Ort vorhandenen Obsidian, Andesit oder Jaspis gefertigt. Den Forschern zufolge weisen die Werkzeuge auf Jagd und Schlachtung hin, was plausibel erscheint, da es auf dem Plateau sonst kaum Ernährungsmöglichkeiten gab. Knochen am Fundplatz lassen auf die Jagd von Vikunjas und Guanakos, beide aus der Familie der Kamele, sowie Andenhirschen schließen.

Das Pucuncho-Becken war demnach eine hochgelegene Oase für spezialisierte Jäger, vor allem auf Vikunjas. Später könnten dort Herden domestizierter Alpakas und Lamas gehalten worden sein, so die Wissenschafter. Die Gegend war für die ganzjährige Besiedlung geeignet, doch dürften die Menschen von Stürmen in der feuchten Jahreszeit, der Sorge vor Unterkühlung, zum Sammeln essbarer Pflanzen und dem Bedürfnis nach Gesellschaft regelmäßig zum Abstieg in geringere Höhen getrieben worden sein. Auf solche Ausflüge deuten Steinwerkzeuge und Überreste von Steinabschlägen unter den Funden hin, die von ortsfremden, feinkörnigen Felssteinen stammen. Die Plateaubewohner müssen sie aus dem Geröll tiefer gelegener Flüsse mitgebracht haben.

Möglicher Hinweis auf gemäßgtere Klimaumstände

Es ist unklar, ob die Siedlung in großer Höhe den Menschen bestimmte genetische Anpassungen oder spezielle Fähigkeiten zur Anpassung an die Umwelt abverlangte. Der Nachweis der frühen menschlichen Siedlungen in großer Höhe könnte auch bedeuten, dass die späteiszeitlichen Gebiete in den Anden gemäßigter waren als bisher gedacht und die Menschen im Pleistozän größere physiologische Fähigkeiten mitbrachten, als man ihnen bisher zugetraut hatte.

"Die neu entdeckten Fundplätze im Pucuncho-Becken legen nahe, dass die Menschen im Pleistozän erfolgreich in großen Höhen lebten", schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "Science". "Wir müssen vergleichende genetische, physiologische und archäologische Forschungen heranziehen, um zu verstehen, wann und wie sich die nötigen Anpassungen entwickelt haben." (red, derStandard.at, 28.10.2014)