Schädel des "K14" genannten Mannes, dessen Überreste 1954 im russischen Kostenki gefunden wurde.

Foto: Peter the Great Museum

Kopenhagen - Die Eurasier dürften sich schon sehr früh in unterschiedliche Populationen aufgespalten haben, die sich jedoch immer wieder miteinander vermischten: Das zeigen DNA-Analysen aus Knochen eines Mannes, der vor mindestens 36.000 Jahren im heutigen Westrussland lebte. Die Ergebnisse scheinen auch jüngste Annahmen über den Zeitraum der Vermischung moderner Menschen mit Neandertalern zu stützen.

Bei dem "K14" genannten Mann handle es sich um einen der ältesten Funde eines modernen Menschen in Europa, berichten die Forscher um Andaine Seguin-Orlando von der Universität Kopenhagen im Fachblatt "Science". Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass deren Vorfahren vor etwa 60.000 bis 50.000 Jahren Afrika verlassen hatten und sich dann auch in Europa ausbreiteten.

Unbekannte dritte Population

Die Trennung in mindestens drei Populationen dürfte sich vor mindestens 36.200 Jahren ereignet haben: in eine westeurasische, eine ostasiatische und eine dritte unbekannte Linie. Die Forscher sequenzierten nun Erbgut aus dem Schienbein des Mannes, dessen Überreste 1954 im Westen Russland gefunden worden waren. Das Alter der Knochen wurde auf 38.700 bis 36.200 Jahr datiert. Die Wissenschafter verglichen Merkmale seines Erbguts mit denen anderer früher sowie heute lebender Menschen.

Es zeigte sich, dass das Erbgut Ähnlichkeiten mit dem 24.000 Jahre alter Knochen eines Buben aus Zentralsibirien und mit dem europäischer Jäger- und Sammler aus der Mittelsteinzeit (vor etwa 9.600 bis 5.500 Jahren) aufweist. Auch im Erbgut von heute im westlichen Sibirien und in verschiedenen Regionen Europas lebenden Menschen fanden die Wissenschafter Merkmale des Erbguts von "K14". Im Jungpaläolithikum dürfte es also eine Zwischenpopulation gegeben haben, die sich zeitweise von Europa nach Zentralasien erstreckte, folgern die Forscher. Mehrfach, vermutlich fortwährend, sei es in beide Richtungen zu einem Genfluss zwischen den einzelnen Teilpopulationen gekommen.

Einfluss aus dem Nahen Osten

"Dieses Ergebnis hat mich schon sehr überrascht", sagte Philip Nigst, Archäologe an der University of Cambridge (Großbritannien) und am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der an der Untersuchung beteiligt war. "Bisher war einfach nicht klar, inwieweit die einzelnen Populationen miteinander in Kontakt standen. Sie müssen sich aber tatsächlich immer wieder miteinander vermischt haben. Neuen genetischen Input - zum Beispiel aus dem Nahen Osten oder Afrika - gab es bis vor etwa 10.000 Jahren kaum."

Die Lage änderte sich, als vor etwa 8.000 Jahren die ersten Bauern aus dem Nahen Osten kamen und die sesshafte Lebensweise nach Europa brachten. "Die Bauern haben sich mit den existierenden Populationen vermischt. Genetisch gehen die modernen Europäer heute zum großen Teil auf diese Bauern zurück", so Nigst.

Neandertaler-Zeitfenster

Schließen fanden die Wissenschafter im Erbgut von "K14" auch recht lange Abschnitte von Neandertaler-DNA, was auf eine noch kurz zurückliegende Vermischung mit diesen hinweise - vor etwa 54.000 Jahren.

Dieses Ergebnis deckt sich mit dem einer Studie, die kürzlich im Fachblatt "Nature" vorgestellt wurde. Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts hatte darin das Erbgut des bisher ältesten modernen Menschen in Asien entziffert. Der Mann aus Westsibirien lebte vor 45.000 Jahren, zu einer Zeit, als die Vorfahren heutiger Europäer und Asiaten begannen, sich getrennt voneinander zu entwickeln. Auch in diesem Genom hatten die Wissenschafter Spuren von Neandertaler-DNA gefunden. Sie hatten errechnet, dass sich die modernen Menschen und die Neandertaler vor etwa 50.000 bis 60.000 Jahren vermischt hatten. (APA/red, derStandard.at, 6.11.2014)