Ab wann ist ein Smartphone zu groß? Eine Frage auf die die Konsumenten seit Jahren immer neue Antworten geben. Charakterisierten vor wenigen Jahren noch so manche Beobachter 4-Zoll-Geräte "als viel zu groß", folgte mit Samsungs Galaxy Note und seinem 5,3-Zoll-Bildschirm die Eroberung neuer Gefilde. Doch was 2011 noch von vielen verlacht wurde, ist bei den Geräten der 2014er-Generation längst zur Standard-Größe geworden.

Es geht voran

Ein Ende dieser Entwicklung ist dabei derzeit nicht abzusehen. Gerade erst ist mit Apple jener Hersteller, der vor Jahren noch wortreich über die "optimale" Größe eines 3,5-Zoll-Bildschirms philosophierte, in die Sphäre der Smartphone-Riesen vorgedrungen, da legt nun Konkurrent Google noch einmal nach. In Kooperation mit Partner Motorola ist das Nexus 6 entstanden. Im Folgenden soll das Smartphone mit dem stolze 5,96 Zoll großen Bildschirm einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden.

Ersteindruck

Nach dem Auspacken wird schnell klar: Das Smartphone wird seinem Codenamen "Shamu" (ein legendärer Killerwal aus Seaworld, Anm.) wirklich gerecht. Mit 82,98 x 159,26 x 10,06 Millimeter ist es sogar noch einen Tick größer als das iPhone 6 Plus. Dank des Verzichts auf Hardwareknöpfe und schlankeren Rändern bekommt man bei Googles Smartphone dafür einen noch mal deutlich größeren Bildschirm.

Das Design des Nexus 6 erinnert stark an das Moto X - was beim gleichen Hardwarehersteller auch nicht verwund
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Wer sich über die Dicke von mehr als einem Zentimeter Sorgen macht, sei beruhigt: Wie schon beim Moto X, das unübersehbar die Designvorlage für das Nexus 6 bot, ist die Rückseite gebogen. An den Rändern ist das Google-Smartphone also deutlich schlanker als in der Mitte. Eine durchaus clevere Design-Entscheidung, fühlt sich das Nexus 6 dadurch doch wesentlich schlanker an als es eigentlich ist.

Viel richtig gemacht

Auch sonst fällt der Ersteindruck äußerst positiv aus. Das 184 Gramm schwere Nexus 6 liegt nicht nur - für seine Größe - hervorragend in der Hand, auch an der Verarbeitung gibt es nichts zu kritisieren. Ganz im Gegenteil. Der Metallrahmen verleiht dem Gerät ein gute Stabilität, der an den Rändern abgerundete Bildschirm macht seitliche Wischbewegungen deutlich angenehmer als es bei vielen anderen aktuellen Smartphones der Fall ist. Die Knöpfe sind perfekt verarbeitet, und wurden schlauerweise weiter nach unten versetzt, damit sie auch noch mit einer Hand komfortabel zu erreichen sind. Der Ausschaltknopf ist dabei noch einmal extra mit einer Textur versehen worden, um ihn leichter ertasten zu können.

Die seitlichen Knöpfe sind fast in die Mitte gerutscht, um das Erreichen zu erleichtern.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Einzig die leicht herausstehenden Lautsprecher an der Vorderseite werden wohl nicht allen zusagen. Zumindest hat dieser Aufbau aber den angenehmen Nebeneffekt, dass das Gerät auch mit dem Bildschirm nach unten nicht vollständig aufliegt - was die Gefahr des Zerkratzen reduziert. Auf der Rückseite dominiert die große Kamera den optischen Eindruck. Ansonsten gibt es den gewohnten Nexus-Schriftzug sowie ein Motorola-Logo, dessen Vertiefung hier zum Glück weniger aufdringlich ist als beim aktuellen Moto X. Die Rundschau vervollständigen der Kopfhörerstecker an der Ober- und der Micro-USB-Anschluss an der Unterseite. Gegen Regenwasser ist das Nexus 6 mit einer Nano-Beschichtung geschützt, so richtig wasserdicht wie andere aktuelle Smartphones ist es damit freilich nicht. Von Tauchexperimenten sei also abgeraten.

Abwägungen

Womit bisher elegant um die Kernfrage geschifft wurde. Also: Ist das Nexus 6 zu groß? "Leider" gibt es darauf aber keine allgemein gültige Antwort. Die Realität ist schlicht, dass unterschiedliche Nutzer auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse hegen. Wer ein Smartphone primär zum Telefonieren haben will, für den ist das Nexus 6 im wahrsten Sinne des Wortes überdimensioniert. Gleichzeitig zeigen aber auch alle Untersuchungen, dass Telefonie mittlerweile nur mehr einen sehr kleinen Teil der durchschnittlichen Smartphone-Nutzung ausmacht. Wer hingegen viele Texte liest oder Videos schaut, wird von dem Fast-6-Zoll-Bildschirm schnell angetan sein.

Im direkten Vergleich zum Nexus 5 des Vorjahres ist es unübersehbar: Das Nexus 6 ist wirklich, wirklich groß.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Klar ist jedenfalls: Die durchgängige Nutzung mit einer Hand ist beim Nexus 6 nur mehr für jene Leute möglich, die wirklich große Hände haben. Alle anderen werden sich des öfteren mit der zweiten Hand behelfen müssen. Allerdings gilt dies natürlich auch für viele schon in der 5-Zoll-Kategorie. Im Endeffekt ist all das also auch - einmal mehr - eine Frage der Gewöhnung. Lässt man sich auf Geräte wie das Nexus 6 ein, muten andere Smartphones schnell geradezu absurd klein an.

Bildschirm

Der Star eines jeden Smartphones ist das Display. Im konkreten Fall handelt es sich dabei um einen 5,96-Zoll-AMOLED mit einer Auflösung von 2.560 x 1.440 Pixel (QHD). Dies führt zu einer Pixeldichte von 493 PPI, bei der die Schriftdarstellung gestochen scharf ist. Dies übrigens trotz der Pen-Tile-Matrix-Anordnung der Subpixel, die typischerweise eine Reduktion der realen Auflösung zur Folge hat. Das Nexus 6 ist das erste Google-Gerät seit dem Galaxy Nexus, das einen AMOLED-Bildschirm nutzt, und somit auch eine gute Erinnerung daran, wie stark sich diese Technologie in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. Während die Vorteile wie großartiger Kontrast oder de facto optimaler Schwarzwert verblieben sind, wurden mittlerweile viele typische Probleme dieser Technologie ausgeräumt - oder zumindest gemildert.

Vergleich

Den besten AMOLED-Bildschirm bietet derzeit Samsungs Galaxy Note 4, und an den kommt auch das neue Nexus nicht ganz heran, wenn der Abstand auch nicht all zu groß ist. Das liegt vor allem daran, dass es für das Nexus 6 leichte Abzüge bei Farbechtheit und maximaler Helligkeit gibt. Dies ist insofern enttäuschend, da das Nexus 5 zu den am besten kalibrierten Geräten gehört hat. Zudem zeigt sich vor allem bei niedriger Helligkeit ein leichter Gelb/Grün-Stich des Bildschirms - von den deutlichen Verfärbungen früherer AMOLEDs ist dieser allerdings weit entfernt.

Dunkel, dünkler, pink

Der Bildschirm des Nexus 6 bietet aber noch ein interessantes Zusatzfeature: Ist die "adaptive Helligkeitsanpassung" aktiviert, kann die Bildschirmdarstellung in einem dunklen Umfeld extrem weit nach unten geregelt werden. Dabei geht zwar bei der letzten Stufe die Farbechtheit endgültig flöten - es zeigt sich eine deutliche Pink-Verfärbung der Darstellung - trotzdem ist es erfreulich dass Google hier nicht einfach die minimale Helligkeit weiter nach oben gesetzt hat.

QHD-Konsequenzen

Noch ein Wort zur Bildschirmauflösung: Zumindest bei dieser Gerätegröße ist der Drang zu QHD-Displays offenbar unaufhaltsam - und beim Nexus 6 mit seinem AMOLED auch etwas verständlicher als bei einem Gerät mit 5-Zoll-LCD-Bildschirm. Trotzdem sei nicht unerwähnt, dass die Erhöhung der Auflösung auch negative Effekte hat. Mehr Pixel bedeuten schlicht, dass der Prozessor stärker belastet wird, was sich wiederum negativ auf Performance und Akkulaufzeit auswirkt - aber dazu gleich noch mehr. Umgekehrt gibt es bislang nur wenig Inhalte, die die volle Auflösung auch wirklich nutzen, vor allem Filme und Videos liegen üblicherweise maximal in Full-HD (1.920 x 1.080 Pixel) vor.

Prozessor

Als Prozessor kommt ein Snapdragon 805 zum Einsatz - und damit das, was derzeit im Android-Bereich "State of the Art" ist. Dem mit 2,7 GHz getakteten Quadcore ist eine Adreno 420 GPU (600 MHz) zur Seite gestellt, die für die nötige Grafikpower sorgt. In Benchmarks liefert der Prozessor denn auch die zu erwartenden Top-Werte - wie immer ist aber die reale Nutzungserfahrung erheblich wichtiger als all die synthetischen Benchmark-Rankings.

Achtung: In diesem Foto ist eine Katze versteckt!
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Und hier liefert das Nexus 6 das angesichts der Spezifikationen und der Erfahrungen mit anderen Android-5.0-Geräten ziemlich exakt das zu Erwartende. Die Kernaufgaben laufen äußerst flink, auch Schwierigkeiten mit grafisch aufwändigen Apps waren nicht zu bemerken. Allerdings zeigen sich natürlich auch hier ab und an jene Bugs, die schon in unserem "Lollipop"-Test angesprochen werden. Also etwa dass die neue Betriebssystemversion manchmal zu offensiv Programme im Hintergrund beendet, und dann durch deren Neustart eine kurze Wartezeit entsteht. Wohl nicht zuletzt dank der 3 GB RAM treten diese Defizite beim Nexus 6 zwar etwas seltener auf, trotzdem gilt es auf ein baldiges Bugfix-Update zu hoffen. Und das übrigens auch von so manchem App-Hersteller. Einzelne Dritthersteller-Programme kommen offenbar nicht gut mit der QHD-Auflösung zu recht, und agieren beim Rendering deutlich langsamer als der Rest des Systems.

Keine großen Unterschiede

In Fragen Performance muss aber auch eines klar sein: Wirklich merkliche Fortschritte im Vergleich zum Nexus 5 sollten nicht erwartet werden. Dies liegt einerseits daran, dass die Prozessoren der 2014er-Smartphone-Generation ganz allgemein nur geringe Fortschritte gemacht haben - hier wird sich erst kommendes Jahr mit dem Wechsel auf die ARMv8-Architektur und 64-Bit wieder etwas mehr tun. Aber eben auch daran, dass das Nexus 6 mehr Pixel bewegen muss als sein Vorgänger. In Summe bewegt sich die Alltagsperformance des Nexus 6 in etwa auf dem Niveau des Vorjahresmodells, mal ist das eine flotter, mal das andere.

Die Verschlüsselungsdebatte

Viel wurde in den letzten Tagen auch über einen anderen Umstand diskutiert, der auf den Bereich Performance wirkt. Das Nexus 6 ist das erste Google-Smartphone, bei dem von Haus aus sämtliche Daten verschlüsselt werden. Und da offenbar noch kaum jemand zuvor Verschlüsselung benutzt hat, folgt nun die große Verblüffung darüber, dass dies tatsächlich - deutlich - messbare Auswirkungen auf die Ergebnisse in Storage-Benchmarks hat.

Overhead

Dazu zunächst mal eine Klarstellung: Verschlüsselung erzeugt immer einen gewissen Overhead, daran lässt sich nicht rütteln. Die viel wichtigere Frage ist aber, ob sich das auch tatsächlich bemerkbar macht. Und in den allermeisten Fällen heißt hier die Antwort: Nein. Klar: Der Systemstart wird langsamer, was sicher jene hart trifft, die ihr Geräte mehrfach täglich neustarten. Zudem erhöht sich die App-Startzeit minimal. Im Gegenzug gibt es dafür aber eine von Haus aus deutlich erhöhte Systemsicherheit.

Sicherheitsplus

Verschlüsselung stellt nämlich sicher, dass bei einem Factory Reset sämtliche lokalen Daten unwiederherstellbar gelöscht werden. Erst vor einigen Monaten war Google - zurecht - in die Kritik gekommen, weil unbedarfte Nutzer feststellen mussten, dass Dritte von ihren weiterverkauften Geräten Daten wiederherstellen konnten. Legt man dann auch noch eine vernünftige Lock-Screen-Sperre fest - was dringend angeraten sei - wird der Zugriff für Dritte auf die eigenen, lokalen Daten erheblich schwerer.

Offene Hardwarefragen

Das einzige, was man Google in diesem Zusammenhang "vorwerfen" kann, ist, dass das Nexus 6 den eigentlich im Snapdragon 805 verbauten Hardware-Verschlüsselungs-Support nicht nutzt. Die Gründe dafür sind unklar, Aussagen, dass es sich dabei um ein Rechteproblem angesichts nicht passender Lizenzen handelt, konnten nicht wirklich substantiiert werden. Jenseits solcher Spekulationen ist jedenfalls klar, dass die Nutzung von Hardware-Verschlüsselung deutlich bessere Benchmark-Werte geliefert hätte. Dies zeigt sich etwa am Tablet Nexus 9, dass ähnliche Funktionen der ARMv8-Architektur nutzt. In der Alltagsnutzung zeigt sich freilich auch dort wenig Unterschied.

Die Kamera

So sehr sich die Nexus-Reihe in den letzten Jahren gewandelt hat, ein Punkt stand unabhängig vom jeweiligen Hardwarepartner immer in der Kritik: Die Kamera. Mit dem Nexus 5 hatte Google bereits gewisse Fortschritte in diese Richtung gemacht, mit dem Nexus 6 will man nun eine der besten Smartphone-Kameras abliefern - so zumindest das Versprechen des Unternehmens. Zu diesem Zweck hat Motorola einen Sony IMX 214-Sensor eingebaut, der Bilder mit 13 Megapixel aufnimmt. Das ist übrigens derselbe Chip, der auch im OnePlus One zu finden ist. Hier gibt es aber noch zusätzlich optische Bildstabilisierung, eine f/2.0 Blende und einen Dual-LED-Ring-Flash.

Fotos mit dem Nexus 6 können sich vor allem bei guten Lichtverhältnissen wirklich sehen lassen.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Der HDR+-Modus hilft auch bei Gegenlicht noch mehr aus einem Bild herauszuholen.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Und all diese Investitionen machen sich durchaus positiv bemerkbar: Vor allem bei guten Lichtverhältnissen schießt das Nexus 6 sehr gute Fotos. Sowohl Schärfe als auch naturgetreue Farbwiedergabe wissen zu gefallen, auch das Rauschen bleibt vergleichsweise niedrig. Einzig der Autofokus könnte etwas flotter sei, was sich vor allem bei Videos manchmal negativ bemerkbar macht. Zwar ist der Autofokus noch immer flinker als beim Nexus 5, mit dem Speed von Galaxy S5 oder Note 4 kann er aber nicht mithalten.

Low Light

Nicht uneingeschränkt positiv sieht es hingegen bei der Low-Light-Performance aus. Hier entsteht oft der Eindruck, dass noch mehr herauszuholen wäre - auch wenn die Bilder an sich für diese Klasse von Geräten durchaus "gut" sind. Bleibt abzuwarten, ob Google die diesbezüglichen Defizite mit einem Update ausräumen kann. Beim Nexus 5 hatte man ja nachträglich auch noch einiges mehr aus der Kamera geholt. Ganz allgemein empfiehlt sich die Nutzung des HDR+-Modus, der zwar die Aufnahmezeit verlängert, aber dafür gerade bei schwierigen Lichtverhältnissen wirklich deutlich bessere Ergebnisse liefert. Ebenfalls positiv wirkt sich der LED-Flash-Ring aus, der für eine - relativ - wohl balancierte Ausleuchtung sorgt.

Vergleiche

In Summe bewegt sich die Kamera des Nexus 6 durchaus auf dem Niveau aktueller Android-Topgeräte, wobei die üblichen Verdächtigen wie Xperia Z3 oder Note 4 eventuell noch eine Spur besser sind. Dies liegt zum Teil auch an der etwas spartanischen Software von Google, bei der man sich noch das eine Feature oder die andere Einstellung wünschen würde. So geht etwa die Möglichkeit Videos mit hoher Framerate aufzunehmen ab. Dafür gibt es immerhin die Möglichkeit 4K-Videos mit 30 Bildern pro Sekunde zu schießen - falls dies wirklich wer benötigt.

Nachtaufnahme mit aktiviertem HDR+.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass an der Vorderseite eine zweite Kamera mit 2 Megapixel angebracht, die unaufgeregte Ergebnisse liefert. Als "perfektes Selfie-Smartphone" - wie offenbar sonst jeder Hersteller derzeit seine Erzeugnisse bewerben muss - positioniert Google das Nexus 6 jedenfalls nicht.

Klangliche Stärken

Kommen wir zu einem Urteil, das schnell abgehandelt werden kann - einfach weil es durchgängig positiv ausfällt: Die Stereo-Lautsprecher des Nexus 6 liefern - für ein Smartphone - wirklich hervorragenden Klang, und dies bedeutet in dem Fall ein Ergebnis auf Augenhöhe mit dem HTC One (M8). Auch an der Klangqualität beim Telefonieren gibt es absolut nichts auszusetzen.

Akku-Fragen

Der Akku des Nexus 6 ist mit 3.220 mAh angegeben, verspricht also eine deutlich längere Akkulaufzeit im Vergleich zum Vorgänger, der mit 2.300 mAh auskommen musste. Dies stimmt allerdings nur zum Teil: Während das Nexus 5 im Akku-Benchmark von 3D-Mark - der unterschiedliche, aber durchaus immer anspruchsvolle, Aufgaben abwechselt - auf etwa mehr als vier Stunden kommt, setzt sich das Nexus 6 bei 5:39 fest. Auch wenn in Betracht gezogen werden muss, dass die Akku-Performance mit der Zeit etwas nachlässt, stellt dies doch einen gewissen Fortschritt dar. Auch siedelt sich das Nexus 6 so in der Nähe des in Hardwarefragen in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Note 4 (5:53 Stunden) an.

Ursachenforschung

Dass aus dem größeren Akku kein stärkerer Sprung bei der Laufzeit resultiert, liegt vor allem an zwei Faktoren. Einerseits natürlich, dass ein größerer Bildschirm auch mehr Strom verbraucht, zudem aber eben die gesteigerte Auflösung, die mehr Rechenleistung braucht. In Summe: Durch den Tag kommt man - außer bei stark überdurchschnittlicher Beanspruchung - locker, ein Akkuwunder ist das Nexus 6 aber sicher nicht. Es liefert im Kern das, was von der breiten Masse an Smartphones aktuell so zu erwarten ist, mehr nicht.

Nachladen

Sehr erfreulich ist hingegen die Ladegeschwindigkeit. Dank - mitgeliefertem - Turbo Charger ist eine vollständige Aufladung in weniger als zwei Stunden erledigt. Das bedeutet auch, dass schon ein kurzes Anstecken an den Strom einige Stunden zusätzlicher Laufzeit bringen kann. Die offizielle Angabe von 15 Minuten Laden für sechs Stunden Akku geht zwar von einer wenig intensiven Nutzung aus, illustriert aber doch ganz gut das Machbare.

Dank des Turbo Chargers ist das Nexus 6 äußerst flott wieder aufgeladen
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Als Alternative kann das Nexus 6 auch wieder drahtlos nach dem Qi-Standard aufgeladen werden. Die Zusammenarbeit mit dem Wireless Charger des Nexus 5 klappt im Test denn auch tatsächlich, erweist sich aufgrund der gebogenen Rückseite des Nexus 6 allerdings als eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Auch findet keine magnetische Fixierung statt, es ist also relativ mühsam die richtige Position zu finden. Bleibt abzuwarten, ob Google hier noch einen eigenen Wireless Charger nachliefert.

Flotte Datenübertragung

Das Nexus 6 kann mit WLAN 802.11ac 2x2 (MIMO) aufwarten, was - den nötigen WLAN-Router vorausgesetzt - in absoluter Top-Performance in diesem Bereich resultiert. Der interne Speicherplatz liegt je nach Ausführung bei 32 oder 64 GB, einen MicroSD-Slot zur Erweiterung gibt es nicht. NFC und Bluetooth 4.1 sind ebenso mit dabei wie die Unterstützung für LTE-Netze. Leider gibt es dabei einmal mehr zwei unterschiedliche Modelle, eines für die USA, eines für den Rest der Welt. Dies gilt es vor allem für jene zu beachten, die über den Weg eines Eigenimports aus den USA nachdenken. Dabei decken die in der US-Variante gebotenen LTE-Bänder übrigens das Angebot mancher österreichischer Anbieter ab - aber eben nicht aller.

Pack den Lollipop aus

Als Software gibt es das zu Erwartende: Also Android 5.0 in seiner reinsten Form. Dieses wurde bereits an anderer Stelle ausführlich besprochen, insofern seien hier nur spezifische Eigenheiten des Nexus 6 genannt. Da wäre einmal das Ambient Display, mit dem man eines der nettesten Extras des Moto X in angepasster Form übernimmt. Neue Nachrichten werden bei ihrem Eintreffen kurz am Bildschirm dargestellt, beim Hochheben des Geräts passiert das Gleiche. All dies erfolgt in einer Schwarz/Weiß-Ansicht, die dank des AMOLED-Bildschirms kaum Strom verbraucht. Damit wird auch die bisherige Notification-LED der Nexus-Reihe abgelöst, die beim Nexus 6 zwar noch versteckt vorhanden ist, aber nur mehr über den Eingriff ins System genutzt werden kann.

Mit dem Ambient Display werden eingehende Benachrichtigungen stromsparend dargestellt.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Ebenfalls vom Moto X stammt die "Always On"-Sprachsteuerung. Über die Phrase "Ok Google" können dabei Sprachanfragen und -befehle an das Smartphone geschickt werden. Dank der Extra-Hardware klappt dies auch, ohne dass das Gerät am Strom hängen muss. All dies ist vollständig optional, funktioniert im Test aber tatsächlich hervorragend, und auch um einiges schneller als beim Moto X selbst. Dies liegt daran, dass hier der Umweg über eine zweite App - wie bei Motorola - entfällt.

Keine Anpassungen

Spezifische Softwareoptimierungen angesichts der Größe des Geräts - wie es etwa Samsung bei seiner Note-Serie macht - gibt es hingegen hier nicht. Das Kern-User-Interface fungiert exakt wie beim Nexus 5 mit der Ausnahme, dass sich am Launcher fünf statt vier Spalten nebeneinander ausgehen. Auch eine Double-Tap-to-Wake-Funktion sucht man vergeblich. Diese war noch in einer Testversion der Nexus-6-Firmware zu finden, was bei manchen für Verblüffung gesorgt hatte. Warum Google dieses Feature wieder entfernt hat, bleibt unklar. Eventuell funktionierte dies schlicht nicht so wie es soll - und unabsichtliches Anschalten des Bildschirms in der Hosentasche durch ein all zu leichtes Auslösen will schlussendlich auch niemand.

Software

Die App-Auswahl ist praktisch mit der des Nexus-9-Tablets identisch. Mit einer Ausnahme: Hier gibt es ein zusätzliches Programm namens "Messenger". Dahinter versteckt sich ein neues SMS/MMS-Programm, was insofern verblüfft, da Google diese Agenden gerade erst in seine Hangouts übernommen hat. Über die Ursachen für diesen Schritt, kann nur spekuliert werden, aber es ist wohl nicht ganz verwegen, davon auszugehen, dass die Netzanbieter hier ein Wörtchen mitgeredet haben - als Bedingung für die Aufnahme des Nexus 6 in ihr Programm.

Zeitenwandel für die Nexus-Welt

Überhaupt signalisiert das Nexus 6 einen nachhaltigen Umbruch in Googles Gerätereihe. Ist das Unternehmen doch einige Konzessionen eingegangen, um erstmals ins Programm aller US-Mobilfunkbetreiber aufgenommen zu werden. Und nicht alle davon werden Nexus-Puristen freuen. So hat Google zum ersten Mal Providern das Anlegen eines SIM-Locks erlaubt, was AT&T in den USA auch prompt nutzt. Damit nicht genug ist die AT&T-Version auch mit eigenem Boot-Logo und Klingelton versehen. Da diese Extras auf einer separaten Partition zu finden sind, hat diese keinerlei Auswirkung auf Update-Auslieferung oder Factory Images.

Vorinstallation

Zudem gibt es mit "Virtual Preload" (VPL) einen in Android 5.0 fix integrierten Mechanismus, über den Netzanbieter beim Setup des Geräts eigene Apps installieren können. Für das weitere Android-Ökosystem ist das eine durchaus - sehr - erfreuliche Entwicklung, lassen sich die per VPL installierten Programme doch problemlos entfernen - im Gegensatz zu klassisch vorinstallierten Provider-Apps. Zudem könnte dies für die Hardwarehersteller künftig weniger Arbeit bedeuten, müssen sie doch nicht länger ein Firmware-Image für jeden einzelnen Provider schmieden. In der Nexus-Welt ist man hingegen anderes gewohnt. Dass nun so mancher Anbieter dies nutzen könnte, um auch auf einem Nexus eigene Programme einzubringen, wird sicher nicht auf ungeteilte Begeisterung treffen - egal ob sie wieder gelöscht werden können oder nicht. Zumindest haben die ersten US-Nutzer auch schon herausgefunden, wie sich dies austricksen lässt: Einfach beim Setup des Geräts keine SIM-Karte einlegen.

Marktstart

Wie sich österreichische Provider in dieser Hinsicht verhalten werden, ist derzeit noch unklar. Und dies aus einem simplen Grund: Derzeit ist das Nexus 6 in Österreich schlicht noch nicht erhältlich. Google und Motorola haben offenbar bereits ausreichend Probleme den US-Markt zu bedienen, also hat man den internationalen Start verschoben. Derzeit sieht es so aus, als könnte es - zumindest - bis Ende Dezember dauern. Nach dem hervorragend abgewickelten Nexus-5-Start kehrt Google also wieder in die Untiefen des Nexus-Auslieferungschaos zurück.

Verfügbarkeit

Wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann das Nexus 6 schon mal bei deutschen Online-Händlern vorbestellen, dort wird die 32 GB-Ausführung mit 599 Euro geführt, der offizielle Google Play Preis ist noch einmal 50 Euro teurer. Damit ist auch klar, dass Google die Ära der Nexus-Geräte als Preis/Leistungsschlager beendet. Im Vergleich zu vergleichbaren Geräten der Premium-Kategorie ist der Preis zwar noch immer "fair", trotzdem wird er wohl viele bisherige Nexus-Fans abschrecken.

Fazit

Ein Premium-Gerät sollte das Nexus 6 werden - so die Vorgabe von Google. Und im Gegensatz zum Nexus 9 kann man dieses Versprechen hier tatsächlich einlösen. Die Verarbeitung ist hervorragend, Bildschirm und Kamera wissen ebenfalls zu gefallen. An der Performance gibt es - bis auf so manchen Bug in Android 5.0 - nichts auszusetzen. Die Stereo-Lautsprecher sind ein echtes Highlight. Von der Akku-Laufzeit würde man sich hingegen noch etwas mehr erhoffen. In Summe ist das Nexus 6 derzeit fraglos eines der besten verfügbaren Android-Smartphones - so man sich mit der Größe des Gerät anfreunden kann.

Warten...

Abzuwarten bleibt, ob die Konsumenten für all das bereit sind, den im Vergleich zum Nexus 5 deutlich gestiegenen Preis zu zahlen - und natürlich ob es Google auch irgendwann schafft das Gerät in relevanten Stückzahlen in Europa verfügbar zu machen. Zumindest hat die Wartezeit aber auch ihr Gutes: Hat Google doch so noch Zeit, die verbliebenen Bugs in Android 5.0 zu beseitigen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.11.2014)