Walter Leidenfrost (li.) war Sous-Chef bei Mario Bernatovic und Richard Rauch vom Steirawirt, jetzt kocht er für Thomas Zalud (re.).

Fotos: Gerhard Wasserbauer

Als Vorspeise: pochierter Saibling mit Artischockencreme und eingelegten Artischockenherzen.

Fotos: Gerhard Wasserbauer

Seit Thomas Zalud den Arlt, weit draußen in Hernals, vor ein paar Jahren übernommen hat, darf das prächtige Weinhaus als eine der selten gewordenen, gepflegten Adressen für klassische Wiener Küche gelten. Dazu ein mehr als großartiger, hochindividuell zusammengestellter Weinkeller, der Fokus auf tagesfrische Innereien, die abartig reichhaltige Auswahl rarer Schnäpse und Edelspirituosen: Kein Wunder, dass man hier ohne Reservierung nur im Glücksfall (oder in besonders schmutzig-nassen Jännernächten) ein Platzerl bekommt. Wobei: Ohne vorher anzurufen tun sich erfahrene Wirtshaussitzer die Fahrt hier heraus eh kaum an. Für Uneingeweihte: "Weinhaus Arlt, es spricht der Wirt", heißt es dann. Und der Arlt ist wirklich ein Wirtshaus, wo der Chef den Ton angibt, sich bei Küchenlinie wie auch Weinen vom eigenen Gusto leiten lässt - und es versteht, seine Gäste auf diesem Weg mitzunehmen.

Zurück ins Wirtshaus

Seit ein paar Wochen hat Zalud noch eins draufgesetzt: Mit Walter Leidenfrost steht ein "Freund der Familie" in der Küche, der einst als Jungkoch ebenda begonnen hatte, die vergangenen Jahre aber in mehr als gut beleumundeten Betrieben in verantwortungsvoller Position gekocht hat. Leidenfrost war unter Mario Bernatovic im Motto am Fluss, wechselte als Sous-Chef zu Richard Rauch, der im steirischen Trautmannsdorf mit dem Steirawirt eine faszinierende Mischung aus hochkreativer Wirtshausfleischerei und Gourmettempel geschaffen hat, und folgte zuletzt abermals Bernatovics Ruf, um die Kussmaul-Eröffnung zu stemmen. Tolle Referenzen - Leidenfrost aber zog es wieder zurück ins Wirtshaus.

Keine Angst: Klassiker wie die unverschämt zarte, mit Rotwein und Wacholderspeck aufgehusste geröstete Leber vom Jungbullen, die diversen Schnitzel oder das famose Kalbsbeuschel wird es weiterhin geben, dazu aber eine Reihe an Gerichten, die man sich nicht entgehen lassen will. Handgeschnittenes Tartare vom Lungenbraten etwa oder selbst ausgelösten und gepressten Kalbskopf, der ohne Pökelsalz auskommt, und - hurra - deshalb nicht so würstelrosa daherkommt wie anderswo. Leidenfrost serviert ihn lauwarm mariniert mit frischem Grün, dazu kommen ein paar Würfel vom Gebackenen - mehr als reichhaltig, aber halt so gut.

Spinatknödel neu

Saibling wird als Vorspeise pochiert mit Artischockencreme und köstlich eingelegten Artischockenherzen aufgetragen (siehe Bild) oder zum Hauptgang gebraten und mit Erdäpfelrisotto kombiniert - reichlich Senfkörner und Schnittlauch lassen das zu einer frischen, frühlingshaften Angelegenheit werden. Spinatknödel mögen nach klassisch fader Pro-forma-Option für Vegetarier klingen, Leidenfrost aber füllt sie mit reifem Ziegenkäse und Blattspinat, hobelt Hartkäse drüber, gibt gute Walnüsse dazu - und macht ein richtig interessantes Gericht daraus. Eine mächtige Beiriedschnitte bekommt neben Zellerpüree und geschmortem Stangensellerie eine verführerische Creme aus aufgeschlagenem Kalbshirn beigestellt: So lassen sich auch verschreckte Pubertierende die Innerei gefallen.

Zu diesen Köstlichkeiten bietet die Weinkarte mehr als reichliche Kombinationsmöglichkeiten aus Österreich und anderen großen Weinregionen der Welt, etliches (nicht zuletzt Jahrgangschampagner!) hat Zalud auch offen anzubieten. Dabei lässt sich natürlich viel Geld ausgeben, die Preisgestaltung aber ist mehr als fair. Auf diese Art wird ein gemütliches, gut eingesessenes Weinhaus auf seine alten Tage zur richtig heißen Adresse! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 30.1.2015)