Baupfuschopfer hätten durch ihn erst eine Stimme bekommen, sagt Günther Nussbaum. "Davor hat das niemanden interessiert."

Foto: Putschögl

Nussbaum: "Pflichtversicherung für Baufirmen wie in Frankreich."

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STANDARD: Im Frühjahr startet die zehnte Staffel von "Pfusch am Bau". Haben Sie den Eindruck, dass sich durch die Sendung etwas verbessert hat am Bau?

Nussbaum: Ja, ich denke schon. Es ist jetzt doch ein bisschen mehr Bewusstsein da, welche Konsequenzen es hat, wenn man nicht ein bisschen vorsichtig ist. Den Anspruch, dass der Endverbraucher zum Fachmann wird, den kann aber natürlich keiner haben. Was ich beobachtet habe: Vor allem innerhalb der Bauwirtschaft hat sich die Einstellung zur Sendung grundsätzlich geändert. Am Anfang gab es starke Bedenken, dass wir damit der Bauwirtschaft schaden würden. Das hat mich sehr getroffen, denn ich bin der klassische Handwerker, komme also aus der Bauwirtschaft und lebe auch dafür. Anfangs wollte die Innung aber verhindern, dass die Sendung ausgestrahlt wird. Das hat sich jetzt umgekehrt.

STANDARD: Könnte das auch damit zu tun haben, dass Sie mittlerweile sehr klar vor "Auslandsfirmen" warnen, die gleich "den gesamten Hausbau stemmen wollen"? Das sei "noch kein einziges Mal gutgegangen", schreiben Sie auf Ihrer Website.

Nussbaum: Definitiv, ja. Aber es gibt ja auch einen politischen Auftrag zur Grenzöffnung. Die Innung kann deshalb schwer aktiv werden.

STANDARD: Als Bauherr eines Einfamilienhauses hat man es selbst in der Hand, wen man beauftragt und wie man die Bauaufsicht organisiert. Welche Möglichkeiten hat man aber als einer von vielen Käufern bei einem Bauträgerprojekt?

Nussbaum: Die Baubegleitung solcher Wohnanlagen ist ein Großteil meines Geschäfts. Bei den guten Bauträgern meldet man sich an und kann dann mit dem Polier durchgehen. Aber manche Bauunternehmen halten das sehr restriktiv und lassen niemanden rein. Da gehen dann die Käufer am Abend heimlich hin, machen Fotos und schicken sie mir. Das ist auch wesentlich billiger für die Leute, weil ich für die Begutachtung nicht immer vor Ort sein muss, sondern höchstens zwei- bis dreimal. Das meiste kann gut über die Fotos erledigt werden. Wenn ich sehe, dass eine Firma pipifein arbeitet, dann ist der Aufwand minimal und ich winke das durch. In letzter Zeit kriege ich aber immer wieder Fälle herein, wo schon die Keller Totalschäden sind.

STANDARD: Wer Sie beauftragen will, sollte also immer alles gleich fotografieren?

Nussbaum: Ja, auf der Baustelle alles zu fotografieren, das ist sehr wichtig. Aber auch die Firmen zu checken, die man beauftragt, auch deren Referenzen. Die Leute lassen sich oft irgendwelche Listen geben, die überhaupt nicht überprüfbar sind, und geben sich damit zufrieden.

STANDARD: Wie weit muss so eine Überprüfung gehen?

Nussbaum: Das mindeste ist, nachzuschauen, ob der Anbieter eine Konzession hat. Das geht über das Internet. Eine Bonitätsauskunft ist schon schwieriger, da braucht man eine Kreditauskunftei und zahlt jedes Mal rund 35 Euro. Aber wenn man einer Firma, die man überhaupt nicht kennt, 300.000 Euro in die Hand drückt, ist das nicht zu viel verlangt.

STANDARD: Ist man bei Bauträgerprojekten durch das Bauträgervertragsgesetz ausreichend geschützt?

Nussbaum: Finanziell schon. Aber nicht gegen Baumängel. Viele Käufer denken, es gebe ohnehin einen Sachverständigen, der den Bau begleitet und die Qualität prüft. Das tut er aber nicht, und das ist eine große Lücke. Das ist "nur" ein Baufortschrittssachverständiger, der beim Treuhänder das Geld für den Rohbau freigibt, wenn dieser fertig ist. Der kriegt oft nur ein Foto gemailt. Um größere Bauträger muss man sich im Regelfall keine Sorgen machen, da geht es weniger mit Freunderlwirtschaft zu. Bei den kleineren läuft noch sehr viel über Beziehungen, da ist die Qualitätssicherung schwerer durchzusetzen. Insbesondere dann, wenn der Architekt eng mit dem Bauträger verbandelt ist, hat man als Sachverständiger einen schweren Stand. Man deckt Mängel auf, kommt aber nie wieder auf die Baustelle. Das Bewusstsein, dass man die Qualität am besten schon während der Bauphase überprüfen sollte, ist bei vielen Bauträgern noch nicht wirklich vorhanden.

STANDARD: Sollte das nicht ohnehin die Bauaufsicht erledigen?

Nussbaum: Das ist das nächste Problem: Es gibt keine Richtlinien für die Pflichten einer Bauaufsicht. Wir bräuchten dringend eine Norm, wo definiert wird, welche Pflichten und natürlich auch Rechte eine Bauaufsicht hat.

STANDARD: Wir haben also rund 6000 Normen für den Baubereich, aber dafür gibt es keine?

Nussbaum: Vollkommen richtig. Für jede Schraube gibt es eine Norm, aber dafür nicht. Dabei ist die Bauaufsicht äußerst wichtig: Die Leute unterschätzen total, welche Probleme und Mängel dadurch entstehen, dass beispielsweise der Elektriker nicht weiß, wann der Maurer kommt. 30 Prozent aller Mängel entstehen schon in der organisatorischen Phase. Deshalb sollte man für die kaufmännische und organisatorische Administration auf der Baustelle unbedingt eine Bauaufsicht beauftragen. Auch bei einem kleinen Einfamilienhaus empfehle ich das dringend. Sonst steht man als Bauherr schnell vor dem Ruin, wenn schon alles bezahlt ist, sich aber ein Totalschaden herausstellt und die Baufirma Konkurs anmeldet. Die Behebung von Baumängeln ist in der Regel nämlich nicht versicherbar. Eine Rechtsschutzversicherung deckt nur Vertragsstreitigkeiten. In Frankreich müssen Firmen auf Baumängel versichert sein. So eine Pflichtversicherung wünsche ich mir auch für österreichische Firmen.

STANDARD: Nach Vorbild der Immobilienmakler?

Nussbaum: Ja, so etwas wäre nötig. Dann würden 70 Prozent meiner Fälle noch einmal gut ausgehen, denn dann würde die Versicherungswirtschaft darauf achten, dass ein Qualitätsmanagement eingezogen wird. Politisch ist das aber kein Thema. Baupfuschopfer haben ja durch unsere Sendung erst wirklich eine Stimme bekommen. Davor hat das niemanden interessiert. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 7.2.2015)