Ein "Kuchen mit Schlag".

Foto: STANDARD/Cremer

Im Kindergarten meines Sohnes herrscht eine wunderbare Vielfalt an Interessen, Sprachen und Angeboten. Die Kinder kommen gerne und von überall her. Sie erleben einen kleinen Ausschnitt der Welt, die draußen auf sie wartet. Auch Wien, wo ich seit mehr als vierzig Jahren lebe, hat sich in den letzten Jahren in diese Richtung verändert. Ich empfinde es als deutliche Steigerung meiner Lebensqualität, dass der Horizont der Stadt jetzt nicht mehr in Alt-Erlaa endet, sondern bis nach Asien, Afrika oder Anatolien reicht. Dass die Stadt auch Heimat für Menschen ist, die nicht hier geboren wurden. Eine Heimat, die sie mit ihren eigenen Geschichten und Erfahrungen bereichern.

Dadurch haben sich produktive gesellschaftliche Diskussionen ergeben, die andernorts vielleicht ausführlicher geführt werden, aber auch in Wien angekommen sind: wie etwa Sprache die Beziehungen zwischen Menschen beeinflusst und ein wesentlicher Teil eines respektvollen Miteinanders ist. Diskriminierende Bezeichnungen werden als solche erkannt und immer weniger verwendet. Das braucht natürlich Zeit und geht nicht ohne Diskussionen vonstatten. Aber es ist ein Ergebnis solcher Debatten, dass heute nicht mehr von "Weibern", "Tschuschen", "Negern" oder "Zigeunern" gesprochen wird.

Bei allen solchen Entwicklungen braucht es positive Beispiele, Vorreiter, die zeigen, wie es (auch) gehen kann.

Speisekarte als Schauplatz der Transformation

Die Speisekarte in Wiener Lokalen ist ein dankbarer Schauplatz für solche Transformationen. Noch vor einigen Jahren war der "Mohr im Hemd" ein Fixstarter bei den Nachspeisen. Infolge einer immer wieder aufflammenden Debatte hat sich aber mit einiger Verspätung auch in Wien die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Begriff "Mohr" eine diskriminierende Bezeichnung ist. Der Duden etikettiert den Begriff als veraltet, und auch in der Gastronomie verstehen heute die meisten, dass die Vorstellung von schwarzen Menschen in weißen Hemden nicht zum Anbeißen ist, sondern eine geschmacklose Aufbereitung der Geschichte von Sklaverei und Kolonialismus im Mehlspeisformat.

Seit 2012 empfiehlt sogar der Fachverband Gastronomie der Bundeswirtschaftskammer seinen Mitgliedern, auf diskriminierende Speisebezeichnungen zu verzichten. "Als Branche, die sich der Gastfreundschaft verschrieben hat, sollten wir hier mit gutem Beispiel vorangehen und auf derartige Bezeichnungen verzichten", heißt es im WKO-Newsletter. Statt "Mohr im Hemd" also künftig besser "Kuchen mit Schlag".

"Smilemenues"?

Doch Wien ist manchmal anders. Im Kindergarten meines Sohnes gibt es dieser Tage "Mohr im Hemd". Ich hoffe, dass vor allem den schwarzen Kindern in seiner Gruppe nicht das Lachen vergeht. Und auch all den anderen Kindern nicht, die von der Firma Smilemenues (Motto: "... denn Lachen ist gesund!") im Auftrag der Stadt Wien mit 30.000 Portionen "Mohr im Hemd" verköstigt werden. (Markus Wailand, derStandard.at, 19.2.2015)