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Der Getreideanbau am Beginn des Neolithikums kennzeichnet die Morgenröte der Menschheitsgeschichte. Durch Handel gelangte das Getreide allerdings schon lange vor dem Sesshafterwerden zu Jäger- und Sammler-Gesellschaften.

Foto: APA/EPA/YAHYA ARHAB

Coventry/Wien - Die Neolithische Revolution kennzeichnet eine der einschneidensten Umwälzungen aller Zeiten. Während der Mensch in der Alt- und Mittelsteinzeit seine Nahrung erjagen und in der Wildnis zusammentragen musste, begann er vor rund 11.500 Jahren im Südosten Anatoliens damit, sein tägliches Mahl selbst herzustellen, hauptsächlich in Form von Getreideanbau. Wenig später kam auch die Viehwirtschaft dazu. Die Entwicklung dürfte sich verhältnismäßig schnell vollzogen haben. Archäologische Funde belegten, dass die Bewohner des fruchtbaren Halbmonds keine 1.000 Jahre später bereits eine ganze Reihe unterschiedlicher Feldfrüchte kultivierten.

Man sollte annehmen, dass sich diese Neuerungen ebenso schnell weiterverbreitet hatten - doch dem war nicht so. Im Gegenteil: Die landwirtschaftlichen Fertigkeiten wanderten mit geradezu quälender Langsamkeit in Richtung Europa. Auf dem Balkan kam der Feldbau vor 8.000 Jahren an. Entlang der Flüsse gelangte die Landwirtschaft ins zentrale Europa. Die frühesten diesbezüglichen Funde sind rund 7.500 Jahre alt. Weitere 1.500 Jahre gingen schließlich ins Land, ehe die Bewohner der britischen Inseln den Getreideanbau meisterten.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Urbevölkerung der Weizen bis dahin völlig fremd war. Wissenschafter präsentierten in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Science" Hinweise darauf, dass die Bewohner der britischen Inseln das Getreide bereits rund 2.000 Jahre vor dem dortigen Weizenanbau gekannt haben dürften.

Die Gruppe um Robin Allaby von der University of Warwick entdeckten in Bouldnor Cliff vor der Insel Isle of Wight eine große Menge an Erbmaterial von Weizen, der jenem aus dem Nahen Osten entspricht, allerdings keine Pollen oder andere Hinweise auf Getreidekultivierung. Die Spuren fanden sich in den heute vom Meer bedeckten Überresten einer 8000 Jahre alten Siedlung, die durch eine Torfschicht vor den zerstörerischen Einflüssen des Meeres über die Jahrtausende konserviert worden waren.

Import-Weizen

Für Allaby lässt dies nur einen Schluss zu: "Wir nehmen an, dass dieser Weizen eher vom europäischen Festland importiert als an Ort und Stelle angebaut wurde." Dies wiederum bedeutet für die Forscher, dass es zwischen Europa und dem bereits Landwirtschaft betreibenden Nahen Osten ein intensiv genutztes Handelsnetzwerk gegeben haben muss. Indirekt wurden damit sogar die Jäger und Sammler auf den Britischen Inseln Nutznießer der Neolithischen Revolution, lange bevor sie diese selbst erlebten. (Thomas Bergmayr, DER STANDARD, 27.2.2015)