Martin Karplus wird im Mai in Wien ein Ehrendoktorat entgegen nehmen.

Foto: OST Austria

Martin Karplus hat es nicht nötig, sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und so sagt er auch immer wieder, dass die Begründung für die Verleihung des Chemie-Nobelpreises 2013 an ihn und an seine US-amerikanischen Kollegen Michael Levitt und Arieh Warshel eigentlich ein Fehler sei. Die Entwicklung universeller Computermodelle für die Voraussage chemischer Prozesse, wie es hießt, sei gar nicht der wichtigste Teil seiner Arbeit. Die Simulation molekularer Dynamik sei viel essentieller.

Wie auch immer: Karplus hat den Nobelpreis gewonnen - und ganz Österreich mit Ausnahme einiger Eingeweihter schien damals überrascht, dass es noch einen in Österreich geborenen, von den Nazis vertriebenen Wissenschafter gibt, der für den Nobelpreis in Frage kam. Zuvor wurden schon Walter Kohn (Chemie-Nobelpreis 1998) und Eric Kandel (Medizin-Nobelpreis 2000) auf diese Weise entdeckt.

Chemie statt Medizin

Karplus wurde am 15. März 1930 in Wien als Sohn einer jüdischen Arztfamilie geboren. Beide Großväter waren angesehene Mediziner. Enkel Martin sollte diese Tradition fortsetzen. Doch nach dem "Anschluss" musste die Familie fliehen - in die Schweiz, nach Frankreich und später gemeinsam mit dem zunächst festgenommenen Vater in die USA. Die Familie ließ sich in Brighton in der Nähe von Boston nieder. Martin begann zu studieren - allerdings nicht Medizin, wie ursprünglich vorgesehen, sondern Chemie. Er ging an die Harvard University und später ans California Institute of Technology (Caltech). Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Großbritannien waren die nächsten Stationen die University of Illinois und die Columbia University. Mitte der 1960er Jahre wurde er als Professor nach Harvard berufen. Heute forscht er mehr in der eigenen Küche, sagte Karplus im vergangenen Jahr im Rahmen eines Journalistengesprächs in Boston. Der Chemiker ist ein leidenschaftlicher und wie es heißt hoch talentierter Koch. Und ein gefragter Fotograf. Zur Promotion am Caltech schenkten ihm seine Eltern eine Leica. Seit damals fotografiert er auf zahlreichen Reisen - zum Beispiel in China oder Japan.

Vereinnahmung eines Wissenschafters

Von 1945 bis 2013 hat sich in Österreich kaum jemand um Karplus gekümmert, nun wird er mancherorts sogar als "österreichischer" Chemienobelpreisträger vereinnahmt. Das verärgerte den Wissenschafter selbstverständlich, macht ihn aber nicht unversöhnlich. Im vergangenen Jahr erzählte er dem STANDARD von einem Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer. Dieser habe ihm anlässlich der Eröffnung zur Ausstellung "Photographs. 1953-2009" im österreichischen Kulturforum in New York eingeladen. In Österreich habe sich viel geändert. "Ich hoffe sehr, dass das stimmt".

Im Mai wird er sich bei einem Wien-Besuch ein Bild davon machen. Karplus erhält ein Ehren-Doktorat und wird bei der Eröffnung seiner Foto-Ausstellung an der Uni Wien anwesend sein. .Am 18.Mai hält er einen Vortrag an der Uni Wien (16.30, Carl Auer v. Welsbach Hörsaal, Boltzmanngasse 1, 1090 Wien) . Und am 25. Mai ist im Rahmen eines Themenabends zum 650-Jahr-Jubiläum der Uni Wien in ORF III ein Porträt über Martin Karplus zu sehen. Man darf gespannt sein , welche Worte der Wissenschafter bei seinem Wien-Besuch finden wird. Er hat es ja wirklich nicht nötig, sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. (Peter Illetschko, derStandard.at, 15.3.2015)