Dieser Tweet sorgte für zwei Entlassungen.

Foto: Screenshot/Twitter

Konferenzen sind oft langweilig, während öder Vorträge kommt man auf dumme Ideen: Auf der Pycon 2013 beginnt ein Entwickler namens Hank deshalb, mit einem männlichen Kollegen herumzublödeln. Die beiden erzählen sich pubertäre Witze, etwa über "große USB-Dongle", die man sanft in den Anschluss des Computers einführt. Oder über "to fork a repo", was in der IT einerseits das Kopieren eines Verzeichnisses, im Slang aber auch Analverkehr bedeuten kann.

"Nicht cool"

Obwohl die beiden glauben, im Flüsterton miteinander zu kommunizieren, kann die Entwicklerin Adria Richards in der Reihe davor alles mithören. Sie findet die Witze unangebracht, steht auf, dreht sich um und macht ein Foto. Dann twittert sie das Bild der beiden an ihre rund 10.000 Follower, erklärt die Situation und kommentiert: "Nicht cool". Zehn Minuten später werden die beiden Entwickler von einem Organisator der Konferenz in ein Hinterzimmer gebeten und verwarnt.

Entlassung folgt

Als die zwei später nach Hause fahren, haben sie ein schlechtes Gefühl: Sie wissen um die Kraft von Shitstorms und deren verheerende Konsequenzen. Doch bislang reagierte nur eine Person auf Richards Tweet – eine unbekannte Followerin, die Richards zu deren Mut gratuliert. Außerdem hatte Richards vor einigen Tagen selbst einen sexistischen Witz getwittert – als sie einem Freund riet, sich vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen Socken in die Unterhose zu stopfen. Vor dem Schlafengehen hat sich Hank, der eine Frau und drei Kinder hat, schon etwas beruhigt. Am nächsten Tag wird er entlassen.

Firmenansehen beschädigt

Sein Verhalten habe das Ansehen der Firma zu sehr beschädigt, da er auf der Konferenz ja auch sein Unternehmen vertrete, so sein Vorgesetzter. Hank packt seine Sachen. Am selben Tag postet er eine Erklärung im Netz: Er entschuldigt sich bei Adria Richards für seine Witze auf der PyCon, gibt aber auch bekannt, entlassen worden zu sein. Dann schreibt er: "Sie warnte mich nicht vor, sondern lächelte, als sie das Foto machte und mein Schicksal besiegelte."

Auslöser und Opfer

Adria Richards bereut diese Entwicklung nicht. Der Buchautor Jon Ronson hat sie besucht und eine Reportage über das Gespräch im "Guardian" veröffentlicht. Ronson hatte zuvor bereits über jene PR-Managerin, die wegen eines rassistischen Witzes entlassen wurde, geschrieben. Außerdem besuchte der Autor eine junge US-Amerikanerin, deren Leben durch ein blödes Facebook-Foto durcheinandergewirbelt worden ist. Doch die Entwicklerin Adria Richards ist ein besonderer Fall – denn sie ist gleichzeitig Auslöser eines Shitstorms und selbst Opfer.

Entlassung Teil 2

Denn nach Hanks Erklärung, wegen Adria Richards Tweet entlassen worden zu sein, richtet sich die Aufmerksamkeit auf Richards selbst. Die Server ihrer Firma werden mit DDOS-Angriffen attackiert, sie selbst erhält hunderte Drohungen. "Lasst uns diese __ aufhängen", ist da genauso zu lesen wie: "Man sollte ihren Uterus herausschneiden." Ihr Arbeitgeber entlässt Richards – sie sollte in ihrer Position Kontakte zu Entwicklern knüpfen, diese Aufgabe konnte sie laut Vorgesetzten dank des Eklats nicht mehr erfüllen.

Richards: "Nur wenig Mitleid"

Doch Richards denkt nach wie vor, mit ihrem öffentlichen Outing richtig gehandelt zu haben. "Menschen sagen oft: 'Adria wusste nicht, was ihr Tweet auslösen wird' – aber das wusste ich", sagt sie im Gespräch mit Ronson. "Er ist ein weißer Mann, ich bin eine schwarze jüdische Frau. Er wusste, dass er anstößige Dinge sagt", so Richards weiter, "ich habe Mitleid, aber nur wenig." Auf der Konferenz habe sie "Angst" gespürt, trotz der tausenden Teilnehmer – denn diese seien alle "weiße Männer".

Nach wie vor kein Job

Sie macht Hank auch für ihre Entlassung verantwortlich, denkt sogar, er habe die hetzerischen Gruppen aktiv auf sie losgelassen. Eine Aussage, die selbst den neutralen Buchautor Ronson verblüfft, wie er im "Guardian" schreibt. Mittlerweile hat Hank bereits wieder einen Job gefunden: Er war nur wenige Tage arbeitslos gewesen. Gegenüber Frauen sei er mittlerweile zurückhaltender, generell legt er jedes Wort auf die Goldwaage. Adria Richards hingegen ist nach wie vor arbeitslos. (fsc, 22.3.2015)