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Das Genkonstrukt wird in den Schwellkörper des Penis gespritzt. Indem es auf blaues Licht reagiert, kommt es zur Erektion.

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Zürich - In Österreich sind rund 300.000 Männer von einer mäßigen bis schweren erektilen Dysfunktion betroffen. Das große Problem ist: Erektionsstörungen sind ein Tabuthema. Das heißt, Männer entwickeln noch immer ein hohes Schamgefühl , über ihre sexuellen Probleme zu reden.

Vor allem mit zunehmenden Alter leiden immer mehr Männer unter erektiler Dysfunktion. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Zahl derer, die keine oder unvollständige Erektionen haben, stetig zu. Laut Schätzungen von Experten sind bei den über 60-jährigen bereits über die Hälfte aller Männer von Erektionsstörungen betroffen.

Als Hauptursachen für erektile Dysfunktion gelten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hormonstörungen, Nervenerkrankungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Aber auch eine Querschnittlähmung führt dazu, dass Patienten keine Erektionen mehr haben.

Stimulationshilfe: Blaues Licht

Der Griff zur "blauen Pille" ist kein probates Mittel, um die erektile Dysfunktion zu beheben. Denn Viagra hilft nur, die Erektion zu verlängern, nicht aber, diese auszulösen. Auch dürften nicht alle Betroffenen das "blaue Wunder" schlucken, um sexuell aktiv zu werden, etwa bei Herzinsuffizienz. Nun haben Forscher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) eine biotechnische Lösung entwickelt: Eine Gentherapie, die Erektionen auslöst.

Dabei wird ein Genkonstrukt in den Schwellkörper des Penis gespritzt. Dieses Konstrukt reagiert auf blaues Licht. Sobald es diesem ausgesetzt wird, wird ein Vorläufermolekül (Guanosintriphosphat - GTP) in den Botenstoff zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) umgewandelt. Dieser kommt auch von Natur aus in zahlreichen Organen des Menschen vor. Er sorgt dafür, dass sich spannungsabhängige Kalziumkanäle schließen. Dadurch sinkt in den Zellen der Kalziumpegel, die Muskelzellen erschlaffen und der Blutfluss in den Schwellkörper nimmt zu.

Die erfreuliche Wirkung: Der Penis wird steif. Danach baut ein Enzym cGMP langsam ab, sodass die Erektion mit der Zeit abklingt. Durch das Genkonstrukt wird die Produktion von cGMP nicht durch sexuelle Erregung stimuliert, sondern direkt durch die Bestrahlung des Schwellkörpers mit blauem Licht. "Dadurch umgehen wir die gewohnte sexuelle Stimulation, die eine ganze Kaskade von Signalen im Körper auslöst, und schließlich zur Erektion führt", meint Martin Fussenegger. Denn bei erektiler Dysfunktion kommt es bei normaler sexueller Stimulierung nicht zu einer Erektion, gibt der Forscher zu bedenken.

Erektion läuft bei allen Säugetieren ähnlich ab

Getestet haben die Wissenschaftler ihre neue Entwicklung an Rattenmännchen, denen das Genkonstrukt in den Schwellkörper injiziert wurde. Das blaue Licht wirkte in den meisten Fällen wie ein Schalter, mit dem sich die Erektion der Ratten "anknipsen" ließ. Bei einigen Tieren führte die Stimulation bis zur Ejakulation.

"Das System der Erektion ist bei allen Säugetieren sehr ähnlich", sagt Martin Fussenegger. Er ist deshalb davon überzeugt, dass das Genkonstrukt auch bei Menschen funktionieren wird. Offenbar sei dieses System sehr früh in der Stammesgeschichte entstanden und habe sich erhalten. "Auch Viagra funktioniert bei Ratten. Es verlängert wie beim Menschen die Intensität der Erektion".

Noch nicht an Menschen getestet

"Nebenwirkungen dürfte diese Art von Gentherapie kaum haben. Auch das Injizieren des Genkonstrukts sollte kein Hemmnis für potenzielle Anwender sein, da bereits heute Injektionen in den Schwellkörper zur Standardtherapie bei erektiler Dysfunktion gehören", meint Fussenegger. Der Forscher begründet seine Einschätzung damit, dass der Schwellkörper einerseits "ziemlich schmerzunempfindlich" und andererseits "vom normalen Blutkreislauf weitgehend abgekoppelt" sei. Die Gefahr, dass das Genkonstrukt an andere Stellen im Körper gelangt, bezeichnet er als sehr unwahrscheinlich. Überdies wird cGMP relativ rasch wieder abgebaut, so Fussenegger.

An diesem Genkonstrukt haben die ETH-Forscher vier Jahre lang gearbeitet. Derzeit liegt es als Prototyp vor. Versuche an Menschen wurden bisher nicht unternommen. Fussenegger ist überzeugt, dass sich das Prinzip dieses Genkonstrukts auch beim Menschen durchsetzen wird, da das System sehr einfach und kostengünstig sei. Bis das blaue Licht in den Schlafzimmern Einzug hält, wird es allerdings noch dauern: Denn vorher braucht es noch ganz nüchterne klinische Studien. (red, derStandard.at, 25.3.2015)