Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Johannes Lau

Ostern naht, und der arme Sünder muss sich wieder seine zum Himmel schreiende Unvollkommenheit eingestehen. Wie die Bibel es vorschreibt, im Diesseits zu leben, ist dem modernen Menschen, dem maßlosen Konsumenten völlig unmöglich. "Haben Sie diesen Wälzer jemals durchgelesen? Eigentlich dürften wir nicht einmal auf die Toilette gehen", befand daher auch ein großer zeitgenössischer Theologe - Reverend Lovejoy, der nur geringfügig bemühte Pfarrer aus den Simpsons.

Ein moralisches Leben ist heute Flickschusterei, ein Hangeln von Kompromiss zu Kompromiss. Mittelmaß regiert, und so geht man auf Mittelwegen durch die Welt. Schließlich darf und muss in unserer hyperpluralistischen Gesellschaft jede Interessengruppe gehört werden - woraus sich die Devise ergibt: Wie man es macht, macht man es verkehrt.

Wer also nun aus Käfighaltung stammende Eier mit veganer Malfarbe verziert, den muss man keinen Pharisäer schimpfen. Er ist lediglich ein gut erzogenes Kind seiner Zeit. So malt eifrig weiter - es wird euch vergeben!

Kontra
Von Christoph Winder

Da ist das Ei, womit wollen wir es bemalen? In früheren Zeiten hätte diese Frage keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt: mit Eierfarben aus dem nächstbesten Laden, womit sonst? Wir leben aber in keiner früheren Zeit, sondern in der gegenwärtigen, und die pflegt bekanntlich ein obsessives Interesse an allen Nahrungsmittelfragen.

Darum kann der Handel den überhochmetzten Esserinnen und Essern heute eine verschwenderische Auswahl an Eierfarbenvariationen offerieren, auf dass dero Ab- und Zuneigungen beim Färbeln, Essen und Pecken nur ja punktgenau befriedigt werden. Wie aber verhält es sich mit der veganen Eierfarbe? Sagen wir: paradox. Oder besser: hirnrissig. Ein echt tierisches Produkt vegan zu bepinseln ist so sinnvoll wie das Pfeffersteak mit einer veganen Bratensoße aufzutischen: nämlich gar nicht. An veganen Eierfarben werden daher nur echte Exzentriker Gefallen finden, sagen wir etwa Leute, die ihr alkoholfreies Bier am liebsten mit einem doppelten Schuss Wodka trinken: verkaufstechnisch betrachtet ein doch eher spärliches Kundensegement. (Rondo, DER STANDARD, 27.3.2015)