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Es müssen nicht unbedingt Vitamin-Tabletten sein: Auch Spargel und Paprika enthalten viel Vitamin E.

Foto: APA/dpa/Uli Deck

Zürich - Ein Tag im Hochgebirge, blendend weißer Schnee, die Sonne strahlt vom Himmel: Das sind beste Bedingungen fürs Skifahren. - Und die mögliche Voraussetzung dafür, dass nach dem Skitag von Herpes-Viren erzeugte Fieberbläschen blühen. Denn die erhöhte UV-Strahlung lässt im Körper freie Radikale entstehen. Dadurch kommt der Körper unter oxidativen Stress, was das Immunsystem schwächt. Das begünstigt wiederum die Vermehrung der Herpes-Viren.

Forscher vermuten, dass oxidativer Stress an vielen Krankheiten mitbeteiligt ist. Neben UV-Strahlung führen auch andere Umwelteinflüsse zu einem hohen oxidativen Stress im Körper, etwa Luftverschmutzung, Rauchen oder Alkoholkonsum und nicht zuletzt Infektionen.

Als Gegenmittel gelten angeblich entsprechende Vitamin-Nahrungsergänzungsmittel, die die freien (Sauerstoff-) Radikale bekämpfen können. Wissenschaftler vom Institut für molekulare Gesundheitswissenschaften der ETH Zürich, sind nun ausgehend von dieser Fragen auf ein Phänomen gestoßen, das die Auswirkungen von oxidativem Stress auf Immunzellen erklärt.

T-Zellen teilen sich nach Feindkontakt

Dringt ein Fremdkörper wie ein Virus oder ein anderer Erreger in den Körper ein, so reagieren bestimmte Immunzellen, die sogenannten T-Zellen, mit starker und rascher Vermehrung. Eine Unterklasse davon, die CD8+T-Zellen, töten beispielsweise die von einem Virus befallenen Körperzellen und eliminieren so das Virus.

Wiederum andere T-Zellen, die CD4+ T-Zellen, koordinieren die Immunantwort gegen alle Arten von Erregern. Sie gelten auch als "Generäle" des Immunsystems. Bis diese T-Zellen aber wirksam eingreifen können, dauert es ungefähr eine Woche, da es zu Beginn einer Infektion zu wenige davon gibt, die spezifisch einen bestimmten Erreger erkennen können.

Erst nach diesem "Feindkontakt" teilen sich die wenigen "Späher" alle acht bis zwölf Stunden, um Kopien (Klone) herzustellen. Nach wenigen Tagen ist die Anzahl auf mehrere Hunderttausende angewachsen. Erst diese Übermacht kann die Infektion erfolgreich bekämpfen.

Ohne Reparaturwerkzeug keine Immunantwort

Dies funktioniert allerdings nicht, wenn starker oxidativer Stress die T-Zellen schädigt und dem Körper das richtige Werkzeug fehlt, um die Schäden zu beheben, wie die Studienleiterin Mai Matsushita betont. Fehlt den Immunzellen das Reparatur-Enzym Gpx4 (oder ist es defekt), sterben die sich teilenden T-Zellen ab, das Immunsystem kann die Erreger nicht eliminieren und die Infektion wird chronisch.

Das Enzym ist dafür zuständig, oxidative Schäden an der Zellmembran zu reparieren. Zu ihrer Überraschung konnten die Forscher aber die Immunzellen vor dem Zelltod retten, indem sie den Versuchstieren, in deren Immunzellen das Reparatur-Enzym fehlte, eine hohe Dosis von Vitamin E ins Futter mischten. Diese Menge des Antioxidans reichte aus, um die Zellmembran der T-Zellen vor Schäden zu schützen, so dass sie sich vervielfältigen und die Virusinfektion erfolgreich abwehren konnte.

Die Menge an Vitamin E im Mäusefutter lag mit 500 Milligramm pro Kilogramm Futter um das zehnfache höher als in der standardisierten Normalnahrung. Zeigen konnten dies die Forscher anhand eines Mausmodells, für das sie Tiere verwendeten, bei denen das Gpx4-Gen zellspezifisch oder zu einem beliebigen Zeitpunkt inaktiviert werden kann. Die ETH-Wissenschaftler haben diesen Mäusestamm nun so verändert, dass das Gpx4-Gen nur in T- Zellen oder in bestimmten Fresszellen des Immunsystems inaktiv war.

Vitamin-Supplementierung umstritten

"Der Nutzen von Vitamintabletten ist ein kontroverses Thema", sagt Manfred Kopf, Mitautor der Studie. Wissenschaftliche Beweise, dass diese Vitaminzusätze nützen, gebe es nur wenige. Auch in der aktuelle Untersuchung konnte ein Nutzen von Vitamin E festgestellt werden. "Unsere Arbeit zeigt, dass sogar ein genetischer Defekt eines Hauptbestandteils der antioxidativen Maschinerie einer Zelle durch Verabreichung einer hohen Dosis Vitamin E kompensiert werden kann. Das ist neu und überraschend", meint Kopf.

Bemerkenswert findet der Wissenschaftler auch, dass die Immunzellen bei oxidativem Stress den gleichen Tod erleiden wie bestimmte Arten von Krebszellen bei Behandlung mit einem Zytostatikum. Dieser programmierte Zelltod wird Ferroptose genannt und wurde erstmals im Jahr 2012 in einer wissenschaftlichen Publikation beschrieben. "Wir sind die ersten, die aufzeigen können, dass Immunzellen genauso wie Krebszellen aufgrund des oxidativen Stresses denselben Tod erleiden", sagt Kopf.

Was die Resultate ihrer Studie für den Menschen bedeutet, sind sich die Forscher noch unschlüssig. Menschen, die normal gesund seien und sich ausgewogen ernährten, würden keine Vitamin-Supplementierung benötigen, betont der Experte. Es könne aber durchaus sinnvoll sein bei oxidativem Stress, wie er im Alltag bei Infektionen oder durch UV-Licht entstehen kann, an eine Ergänzung mit Vitamin E oder anderen fettlöslichen Antioxidantien zu denken. Bislang besitzen die Ergebnisse aber nur für das Mausmodell eine Gültigkeit. (red, derStandard.at, 7.4.2015)