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Die Arbeitszeit einer Lehrerin endet nicht nach den geleisteten Unterrichtsstunden.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die Debatte um die Erhöhung der Lehrverpflichtung von 20 auf 22 Wochenstunden dreht sich um einen pointierten Sager von Michael Häupl (SPÖ). "Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig", sagte der Wiener Bürgermeister und verärgerte damit Lehrerinnen und Lehrer sowie deren Gewerkschaftsvertretung. Bildungsexpertin Heidi Schrodt kritisierte die Aussage im STANDARD als plakativ und ungerechtfertigt, etwa weil der Arbeitsaufwand je nach Fach ungleich verteilt sei. Besonders hart würde die Erhöhung das Lehrpersonal korrekturintensiver Fächer wie Deutsch und Fremdsprachen treffen. Eine Deutschlehrerin unternimmt im Userkommentar den Versuch, Häupl ihr Arbeitszeitmodell zu erklären.

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Lieber Herr Häupl, ich als Lehrerin weiß, dass Schüler auf ganz unterschiedliche Art und Weise lernen. Daher bemühe ich mich, komplizierte Sachverhalte mehrmals und in abwechslungsreicher Form zu erklären, damit sie jeder verstehen kann.

Ich bin überzeugt davon, dass Ihnen das Arbeitszeitmodell von Lehrern schon oft erklärt worden ist, aber vielleicht noch nicht auf die richtige Art und Weise. Daher probiere ich das an dieser Stelle noch einmal:

Lehrer sind 20 Stunden pro Woche im Unterricht.

Darüber hinaus bereiten sich Lehrer auf ihren Unterricht, auf die Zentralmatura und die Oberstufenreform vor und vor allem korrigieren sie eine Unzahl von Hausübungen, Tests und Schularbeiten. Ich – und jetzt arbeite ich mit einem Beispiel, damit Sie eine bessere Vorstellung davon bekommen – unterrichte neun Klassen in Deutsch an einer HTL. Das sind etwa 200 Schülerinnen und Schüler, die Texte verfassen und eine Rückmeldung erwarten.

Lehrer sind Klassenvorstände mit all der Bürokratie, die dazugehört (Fehlstundenkontrolle, Notenlisten, Praktikumsbestätigungen et cetera) und all den zwischenmenschlichen Aspekten, die größere Gruppen von Jugendlichen mit sich bringen (Klassenklima, kulturelle und soziale Unterschiede, Motivation, Versagensängste et cetera).

Darüber hinaus haben Lehrer Konferenzen (in Ihrer Branche nennt man das Meeting oder Jour fixe), Elternsprechtage, Sprechstunden, Tage der offenen Tür, Info-Cafes, Info-Abende, Berufsinformationsmessen, Technik-Rallyes, die lange Nacht der Forschung, mehrtägige Schulveranstaltungen, Fortbildungsveranstaltungen et cetera.

Wenn Sie gut aufgepasst haben ...

So, lieber Herr Häupl, wenn Sie gut aufgepasst haben, dann verstehen Sie jetzt sicher, warum ich nicht am Dienstagnachmittag mit meiner Arbeit fertig bin. Wenn ich allerdings mit derselben Qualität Lehrerin wäre, mit der Sie Ihre öffentlichen Aussagen vorbereiten, dann wäre ich schon montagmorgens fertig.

Für Fragen stehe ich immer gerne zur Verfügung. Meine Sprechstunde ist dienstags von 13:25 bis 14:15 Uhr. (Helga Eisenköck, derStandard.at, 16.4.2015)